Ende des 9-Euro-Tickets: Fahrscheine, bitte!
Unsere Autorin hat sich nach dem Ende des 9-Euro-Tickets vor den Berliner Ticketautomaten umgeschaut. Wie erleben die Fahrgäste die alte Normalität?
„Scheiße ist das“, ruft mir die junge Frau mit rot gefärbten Haaren entgegen, noch bevor ich meinen Satz beenden kann. Sie steht vor dem Fahrkartenautomaten am Berliner Alexanderplatz. Vor ihr tippt ein Mann mit zusammengekniffenen Augen und dem Gesicht fast am Bildschirm klebend darauf herum. „Nirgendwo kann ich mehr hinfahren. Und das Geld ist einfach weg“, fährt die Frau fort. Ihre Freundin nickt. „Wissen Sie, wir sind zwei junge Mütter. Ich habe zwei, sie drei Kids“, sagt sie und zeigt auf die rothaarige Frau.
In der Hand hält sie zusammengefaltete Geldscheine. Der bräunliche 50-Euro-Schein blitzt hervor. Von dem Geld hätten sie etwas für die Kinder kaufen können, erzählen die Frauen. Das falle jetzt weg. Beide stehen an, um sich ihr Monatsticket zu kaufen. Beide wohnen in einer Mutter-Kind-Einrichtung. Und beide wünschen sich das 9-Euro Ticket zurück.
Seit Donnerstag kann nicht mehr mit dem 9-Euro-Ticket gefahren werden. Die dreimonatige Entlastung ist vorbei. In diesen drei Monaten habe ich viel über das 9-Euro-Ticket gelesen. Über die Vorteile, die Nachteile. Über die besten Reiseziele und überfüllte Züge. Kein Ticket ziehen zu müssen, bevor man in die Bahn steigt, war plötzlich ganz normal. Fast so normal, man hätte glatt vergessen können, dass diese Leichtigkeit bald endet. Aber eben nur fast. Zu groß ist dafür die finanzielle Belastung, die in diesen Krisenzeiten nun wieder auf manche Menschen zukommt.
Vor dem Fahrkartenschalter der Berliner Verkehrsbetriebe hat sich eine lange Schlange gebildet. Ein junger Mann im grünen T-Shirt, vielleicht Mitte 20, beugt sich immer wieder zur Seite, um den Anfang der Schlange zu sehen. Er tut es in regelmäßigen Abständen, als könnte er dadurch die Wartezeit verringern. Ob es heute einen besonderen Ansturm auf die Tickets gebe, frage ich die Mitarbeiterin hinter dem Schalter. „Können Sie mal die Maske abnehmen, ich kann sie so ja nicht verstehen“, raunzt sie mich augenrollend an. Dabei ist mir eigentlich nach Augenrollen, wenn ich auf den „Der Zutritt ist nur mit FFP2-Maske erlaubt“-Zettel schaue, der neben dem Schalter hängt. Denn kaum jemanden scheint das hier zu interessieren.
Entlastung statt Komfort
Also brülle ich in meine Maske hinein, und bekomme eine Antwort. „Arbeitslosengeld II kommt am Ende des Monats. Darum kaufen die Leute jetzt ihr Ticket, am Ersten ist es hier immer so voll“, sagt sie. Natürlich sei das in den letzten drei Monaten anders gewesen. „Da war es dann sehr ruhig“, erinnert sie sich. Heute sei es aber eben wieder normal. Ein normaler Monatsbeginn, an dem die Berliner*innen ihr Monatsticket kaufen.
Diese Normalität verspüre ich auch im Bahnhofsgebäude. Menschen rennen zu ihren Zügen, hier und da überschlagen sich die Rollen von voll gepackten Reisekoffern. Im Reisezentrum der Deutschen Bahn sieht es entspannter aus – überschaubare Schlangen. Nur das rote Plakat mit der großen Neun in der Mitte, das an der Scheibe hängt, erinnert an die letzten drei unbeschwerten Monate.
Hier sind manche Berliner*innen auch froh darüber, dass das 9-Euro-Ticket Geschichte ist. Zwei ältere Frauen stehen in der Schlange, um sich über das günstigste Reiseangebot zu informieren. Es soll an die Nordsee gehen. „Innerhalb Berlins ist das toll. Aber gerade mit Blick auf die lange Reise bin ich froh, dass das Ticket weg ist“, erklärt mir die eine. Fast schon unverschämt sei das gewesen, wie voll die Züge waren, sagt sie.
Ja, das 9-Euro-Ticket stand nicht für Komfort. Dafür aber für bezahlbares Fahren. Für Flexibilität und Entlastung. Und für soziale Teilhabe. Ein Mann im dunkelblauen Blazer und langem Rauschebart erzählt mir, dass er über die Anforderungen der Menschen verwundert sei. Wenn man sich ein T-Shirt beim Discounter kauft, sagt er, erwartet niemand eine Qualität, die für immer hält. Beim 9-Euro-Ticket wollen die Menschen aber fast umsonst durch ganz Deutschland fahren und erwarten dann noch Sekt, fährt er fort. Er wünscht sich eine Anschlusslösung. Nicht für 9 Euro, aber eben eine, die die Menschen finanziell entlastet. Eine Lösung ohne Sekt, aber eben bezahlbar.
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