Ende Gelände vor Gericht: Strafverteidiger ohne Robe
Bei den Prozessen zur Garzweiler-Besetzung wird nicht nur über Hausfriedensbruch verhandelt. Sondern auch darüber, wer die Aktivisten vertreten darf.
Das Gericht beschäftigen aber nicht nur diese strafrechtlichen Fragen, sondern auch eine besondere Form der Verteidigung: In den Strafprozessen sollen statt zugelassener Rechtsanwälte nach dem Willen der Angeklagten sogenannte Laienverteidiger zum Einsatz kommen – Aktivisten aus den eigenen Reihen, die selbst keine Anwaltszulassung besitzen und prinzipiell auch keine abgeschlossene juristische Ausbildung.
Grundsätzlich können nach geltender Rechtslage im Strafprozess aber nur zugelassene Rechtsanwälte und Juraprofessoren verteidigen. Eine Lücke wollen die Aktivisten im Absatz 2 des Paragrafen 138 der Strafprozessordnung entdeckt haben. Dort heißt es: „Andere Personen können nur mit Genehmigung des Gerichts gewählt werden.“
Am Amtsgericht in Erkelenz wird die Theorie nun in der Praxis erprobt. Nach den ersten Prozesstagen zeichnet sich bereits ab, dass die von den Aktivisten angestrebte neue Form der Verteidigung auch auf Widerstand treffen wird. Gleich in mehreren Verfahren gibt es Streit um die Zulassung der Laienverteidiger.
Aktivist stellt Rechtssystem immer wieder auf die Probe
Einer von ihnen ist der Aktivist Jörg Bergstedt, der mit Aktionen wie Schwarzfahren im öffentlichen Nahverkehr oder Containern von Supermarktresten die Grenzen des Rechtssystems immer wieder auf die Probe stellt und sich seit Jahren für die Laienverteidigung engagiert.
Zwar sind Bergstedt und zwei Mitstreiter am ersten Verhandlungstag in Erkelenz vom Gericht zunächst ohne Einwände als Laienverteidiger zugelassen worden. Während des zweiten Termins kündigte die Staatsanwaltschaft aber überraschend an, die Zulassung wiederaufzuheben. Ihre Begründung: Bergstedt und seine Mitstreiter seien vorbestraft und deshalb nicht geeignet, die Laienverteidigung zu übernehmen. Bergstedt bestätigt das für seine Person, sieht aber keinen Zusammenhang zu seiner Befähigung als Laienverteidiger. Außerdem habe die Staatsanwaltschaft Zweifel an der juristischen Sachkunde der Laienverteidiger geäußert. Auch das will Bergstedt nicht gelten lassen und gibt den Vorwurf zurück. Die Staatsanwaltschaft habe anscheinend von der Form der Laienverteidigung bislang noch nichts gehört.
Der zweite Verhandlungstermin in Erkelenz wurde abgebrochen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach wollte sich nicht äußern. Auf die Entscheidung des Gerichts wartet Bergstedt noch. Gegen seinen Ausschluss wäre eine Beschwerde möglich. In einem anderen Verfahren der „Ende Gelände“-Prozesse hat er bereits eine Ablehnung erhalten.
Wer als Laienverteidiger zugelassen werden kann, das haben die Gerichte und die Rechtswissenschaft noch nicht genauer konkretisiert. Die bisher ergangenen Entscheidungen betrafen Fälle von Laienverteidigern mit juristischer Ausbildung. Mal ging es um einen pensionierten Richter, mal um einen gescheiterten Jurastudenten. Die Form der Laienverteidigung, wie sie die Aktivisten in Erkelenz erproben, ist noch neu.
Es geht auch ohne Robe
Aus der Sicht von Jörg Bergstedt steht in Erkelenz für die Laienverteidigung einiges auf dem Spiel. „Die Staatsanwaltschaft versucht das Modell der Laienverteidigung aus der Welt zu schaffen“, sagt er. Diese sei aber ein wichtiges Mittel der alternativen Prozessführung. Bergstedt und seine Mitstreiter in Erkelenz treten nach eigenen Angaben bereits seit rund sechs Jahren als Laienverteidiger auf und sind an zahlreichen Gerichten bereits erfolgreich zugelassen worden. Als Laienverteidiger stehe ihm das volle Akteneinsichtsrecht zu, andererseits gingen seine Freiheiten sogar weiter, so Bergstedt. Schließlich müsse er nicht Mitglied in der Rechtsanwaltskammer sein. „Ich muss deshalb auch keine Robe tragen.“
Bei einem Blick auf die von Bergstedt mitbetriebene Website laienverteidigung.tk wird deutlich, dass es vor allem um eine politische Idee geht. Die Laienverteidigung soll Raum für eine Selbstermächtigung der Angeklagten schaffen und aus dem Gerichtssaal eine politische Bühne machen. „Ziel ist, Prozesse zur Einschüchterung politischer AktivistInnen offensiv zu gestalten und zu verhindern, dass wie am Fließband durchgeurteilt werden kann“, heißt es dort.
Die Pressestelle am Landgericht Mönchengladbach sieht diese Taktik gelassen. „Solange das mit zulässigen Mitteln geschieht, ist das nicht zu beanstanden“, sagte ein Sprecher.
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