Kundgebung vor Landgericht Braunschweig: Polizei im falschen Film

Die Polizei hat verhindert, dass vor dem Landgericht Braunschweig ein justizkritischer Film gezeigt wird. Filmemacher und Anmelder wollen klagen.

Leute auf Bierbänken schauen einen Film an

Mehr Demo als Kinogenuss: Filmvorführung vor dem Landgericht Braunschweig Foto: Amsel44

HAMBURG taz | In Braunschweig hat die Polizei am Donnerstag die Open-Air-Vorführung eines justizkritischen Films nach wenigen Minuten abgebrochen. Der besondere Charme dabei: Die Aufführung fand vor dem Landgericht statt, aus dem der Film mit heimlich gemachten Tonaufnahmen berichtet.

Die Veranstaltung war als Kundgebung angemeldet worden unter dem Titel: „Wer die Macht hat, braucht sich um das Recht nicht zu scheren. Für eine Welt ohne Justiz und Strafe“. Anmelder und Filmemacher wurden von der Polizei mitgenommen und vier Stunden festgehalten. Im Stoppen der von etwa 25 Leuten besuchten Vorführung und ihrer Inhaftierung sehen sie die Versammlungsfreiheit verletzt. Sie kündigten Klage an.

Bei dem Film „Unter Paragraphen II“ geht es darum, zu zeigen, „wie die bittere Realität in den Gerichtssälen aussieht, wenn die Angeklagten untergebuttert und ihre Rechte verdreht werden“ – so kündigte es einer der Macher, Ruben Gradl, in der taz an.

Gegenstand des Films sind zwei Prozesse: Bei dem einen zu einer Abseilaktion über der A39 bei Wolfsburg wurde den Aktivisten Nötigung vorgeworfen. Bei dem anderen war der Teilnehmer einer Fahrraddemo vom Wolfsburger Polizeichef aus dem Auto heraus angesprochen worden, worauf der Radler „Ach, fahr weiter Alter“ gesagt haben soll. Damit handelte er sich eine Anzeige wegen Beleidigung ein.

Filmen und Fotografieren nur vor Verhandlungen erlaubt

Der Dokumentarfilmer und Aktivist Jörg Bergstedt achtete streng darauf, den Film über die beiden Prozesse nicht justiziabel zu machen. So sind Film- und Fotoaufnahmen in Gerichtssälen vor Beginn einer Verhandlung sehr wohl erlaubt. Der Richter bittet die Kameraleute und Fotografen aber irgendwann, den Saal zu verlassen. Nur solche Aufnahmen sind in dem Film auch zu sehen. Darüber hinaus zeigt er Fotos und eingeblendete Textdokumente sowie Tonaufnahmen aus der Verhandlung.

Letztere sind zwar verboten, die Verbreitung der Aufnahmen ist aber „nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen“. Weiter heißt es in Paragraph 201 des Strafgesetzbuches: „Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.“

Bergstedt versteht seine Filme, den aktuellen und den Vorgänger „Unter Paragraphen“, als Lehrfilme, die auch zeigten, wie man sich vor Gericht wehren könne. Der erste Film werde bei Trainings zur Selbstverteidigung vor Gericht gezeigt.

Die Filmvorführung sei abgebrochen worden wegen Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz und der Verletzung des Persönlichkeitsrechts, sagte ein Sprecher der Polizei Braunschweig der taz. Auch werde ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht geprüft.

Nach dem Kunsturheberrechtsgesetz dürfen „Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden“. Verstöße dagegen werden nur auf Antrag verfolgt. Wer einen solchen gestellt hat, konnte und wollte die Polizei nicht sagen. Das wirft Rätsel auf, denn der Film ergreift Partei für die Angeklagten, indem er etwa eine Protestaktion im Saal zeigt. Und die Richterin muss hinnehmen, dass Aufnahmen von ihr gemacht werden.

Vier Stunden festgehalten, fotografiert und vermessen

Bergstedt wehrt sich gegen die Darstellung der Polizei, er und der Anmelder seien „aufgrund versammlungsrechtlicher Verstöße und weiterer Straftaten“ aus der Versammlung ausgeschlossen und „weiteren strafprozessualen Maßnahmen“ unterzogen worden. „Versammlungsrechtliche Verstöße wurden vor Ort nicht formuliert“, behauptet er. Sie gingen überdies an ihm selbst vorbei, da er nicht Anmelder sondern nur Teilnehmer gewesen sei.

Irritierend findet Bergstedt, dass die Polizei ihn und den Anmelder auf die Wache brachte. Sei seien der Polizei bekannt gewesen und hätten sich überdies schon vor der Vorführung ausweisen müssen. Reine Schikane sei es gewesen, dass sie vier Stunden auf der Wache festgehalten, fotografiert sowie vermessen und ihre Fingerabdrücke genommen wurden.

„Es wurden die Personen mitgenommen, die im Verdacht standen, strafbare Handlungen begangen zu haben“, sagt dazu der Sprecher der Polizei Braunschweig.

Bergstedt wundert auch, dass die Polizei die Filmvorführung so schnell gestoppt hat. Bis Minute fünf seien noch überhaupt keine Filmaufnahmen aus dem Saal zu sehen gewesen. Dass die Polizei das nicht abgewartet habe, lege nahe, dass sie den „Angriff auf die Versammlung“ geplant habe. Die Verhinderung einer Versammlung sei aber selbst eine Straftat, resümiert Bergstedt.

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