piwik no script img

Emanzipation zum JahresendeErste Weihnachtsfrauen in Berlin

Der Weihnachtsmann erhält in Berlin ab sofort weibliche Unterstützung. Aber noch ist die Auslastung der Weihnachtsfrauen überschaubar.

Pssst! Auch Frauen dürfen Weihnachten rote Mützen aufsetzen! Foto: dpa

Berlin dpa | Ein stämmiger älterer Mann mit Rauschebart, rotem Mantel und Zipfelmütze – so stellt man sich traditionell den Weihnachtsmann vor. In Berlin sind ab diesem Jahr zum ersten Mal auch Weihnachtsfrauen unterwegs – mit rotem Kleid und ohne Bart.

„Die Frau des Weihnachtsmanns war schon immer wichtig. Sie kennt die Goldenen Bücher aller Kinder“, sagt die Sprecherin des Studierendenwerks Berlin, Jana Judisch, am Samstagmittag bei der Vollversammlung der über 100 Weihnachtsmänner. Daher sei es nur konsequent, wenn sie ihrem Mann einige Touren abnehme und direkt zu den Kindern fahre.

Bei vergangenen Weihnachtsfesten waren Frauen nur als Weihnachtsengel im Einsatz, mit weißem Kleid, Flügeln und Heiligenschein. „Sie haben ähnliche Aufgaben wie der Weihnachtsmann und bringen den Kindern auch Geschenke“, erklärt Judisch. Allerdings kämen auf 2500 Weihnachtsmänner nur 110 Engel. „Es ist deshalb an der Zeit, auch Weihnachtsfrauen zu den Kindern zu schicken.“

Dieses Jahr sollen 30 Termine von drei Weihnachtsfrauen übernommen werden. „Falls mehr Weihnachtsfrauen bestellt werden als geplant, können wir aber ganz schnell reagieren. Dann werden spontan Weihnachtsengel umgekleidet“, versichert Judisch. Bei einer Generalprobe während der Vollversammlung wird in einer Minute und 20 Sekunden aus einem schneeweißen Engel eine Weihnachtsfrau mit rotem Kleid.

„Die strahlenden Kinderaugen geben ganz viel zurück“

Weihnachtsfrau Natalia ist durch ihren Freund inspiriert worden. „Er war selber schon Weihnachtsmann und sagt, es lohnt sich. Die Tour ist zwar lang und erschöpfend, aber die strahlenden Kinderaugen geben ganz viel zurück.“ Natalia vermutet, dass sie von Kindern offener empfangen wird als mancher Weihnachtsmann. „Wir Frauen sind sanfter und haben nicht so tiefe Stimmen. Das ist positiv bei schüchternen Kindern. Die Kleinen sollen ja keine Angst vor dem Weihnachtsmann haben, sondern sich freuen.“

Für sie ist es kein Wunder, dass erst jetzt Weihnachtsfrauen in Berlin gebucht werden können. „Die Deutschen sind sehr konservativ, wenn es um das Weihnachtsfest und die Bescherung geht. Der Weihnachtsmann ist traditionell die Hauptfigur. Das ist schade, denn er wird der Legende nach ja durch seine Frau tatkräftig unterstützt.“

Bei der Vollversammlung wird am Samstag an alles gedacht, selbst an einen Notfall-Weihnachtsmann. Er nimmt seinen männlichen und weiblichen Kollegen Termine ab, falls sie zeitliche Probleme bekommen oder krank werden.

Nicht alle Weihnachtsmänner bei der Vollversammlung sind nun schon offiziell zugelassen. „Einige hatten ihr Goldenes Buch vergessen und beim Einlass ein Knöllchen bekommen.“ Sie müssen ihr Buch in den nächsten Tagen beim Studierendenwerk vorzeigen. Ansonsten hätten sich aber alle anderen Weihnachtsmänner qualifiziert, resümiert Judisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ich warte ja jetzt noch auf den "stämmigen älteren Mann" als Weihnachtsengel; -)

    Hat man für Nikolaus und Knecht Ruprecht auch schon eine moderne Lösung?

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @MontNimba:

      "Hat man für Nikolaus und Knecht Ruprecht auch schon eine moderne Lösung?"

       

      Die zwei haben mittlerweile beschossen, ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln zu lassen

  • In Bayern brachte die Geschenke schon immer das Christkind und nicht der Coca-Cola-Weihnachtsmann. Das Christkind war dabei stets eine junge Frau. Dagegen gab es in Männerphantasien auch schon lange wenig bekleidete Weihnachtsfrauen.

    Aber wir sollten die Geschlechterstereotype endlich beerdigen. Nikolaus, Josef und St. Martin können doch ebenso Frauen sein. Waren nicht die Jungfrau von Orleans oder Maria Männer und Jesus sowieso auch eine Frau?

    Was soll Tradition und Geschichte, bei der der Weihnachtsmann sowieso nur ein Vermittler des Kommerzes ist? Aber diejenigen, die ihren Kindern noch Märchen vorgaukeln wollen, wollen eben das authentische Märchen erzählen. Wer Grimms Märchen vorliest, macht aus Aschenputtel keinen Mann und dem Prinzen keine Prinzessin. Wer ein modernes Geschlechterbild will, verbiegt nicht die alten Geschichten, sondern greift auf moderne Geschichten zurück, die ein aktuelles Gesellschaftsbild vermitteln.

    Mit dem Vordringen des Konservatismus wird nicht nur die Ehe gestärkt und umgedeutet sondern auch Märchenfiguren umgedeutet und wiederbelebt.

    • @Velofisch:

      Ja, ich kenn auch aus Ba-Wü vielmehr das Christkind. Allerdings imaginär, das kam immer, während niemand sonst im Wohnzimmer war...

       

      Ansonsten haben Sie bereits alles erwähnt, was es zu erwähnen gibt.

      Danke!