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Elya Maurice Conrad Änder StudiesWie es der neue Kanzler Friedrich Merz mit den Rechten queerer Menschen hält, ist unsicher. Doch es ist eine Frage, die alle betrifft

Foto: Cedric Büchling

Die nächsten vier Jahre bedeuten für queere Menschen wie mich vor allem Unsicherheit. Denn Friedrich Merz wird unser nächster Bundeskanzler. Die emanzipatorischen Erfolge, die wir queeren Menschen über Jahrzehnte erkämpft haben, wird er sie verteidigen? Ich habe meine Zweifel.

Dazu zwei Anekdoten. Als ihm 2020 die Frage nach einem möglichen schwulen Bundeskanzler gestellt wurde, erwiderte Friedrich Merz: „Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange das nicht Kinder betrifft.“ Und das Outing des späteren Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit kommentierte Merz 2001 mit den Worten: „Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal.“

Was für ein Verständnis von Menschen wie mir hat dieser Mann? Stehen wir queeren Menschen für ihn unter Verdacht, pädophil zu sein? Denkt er, ein schwuler Politiker würde ihn möglicherweise begrabschen wollen?

Die Frage nach der Position zu queeren Rechten mag nebensächlich erscheinen, für mich und über fünf Millionen andere queere Menschen in Deutschland ist sie aber die Gretchenfrage.

Was also geht in Friedrich Merz vor? Wo steht er? Auf der Seite derer, die die Selbstverständlichkeit queerer Lebensrealitäten als völlige Normalität in der deutschen Gesellschaft verteidigen? Oder ist eine Merz-Kanzlerschaft der Anfang einer Reise zurück in die Zeit der Stigmatisierung, Diskriminierung und der Repression gegenüber queeren Menschen?

Ihr findet meine Angst übertrieben? Dann ist hier ein Realitäts-Check. In den USA sieht man, wie schnell es geht, wenn die Politik der Meinung ist, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Existenz queerer Menschen bekämpfen zu müssen. Erst werden Bücher verboten, dann löscht man Queerness aus der Bildung und am Ende geht es an die medizinische Versorgung. Nichts von den Freiheiten, die wir aktuell in Deutschland und weiten Teilen Europas genießen, ist selbstverständlich. Es steht in dem Augenblick zur Disposition, in dem Konservative sich nicht mehr der gesellschaftlichen Mitte, sondern dem rechten Rand zuwenden. Und die Wahrheit ist: Bei Themen wie Migration oder Sozialpolitik tut die Union das bereits.

Es geht mir um mehr als Friedrich Merz. Es geht um den Konservativismus im Ganzen. Ist er konservativ, also bewahrend? Bewahrt er die Lehren aus der Geschichte, schützt er das Grundgesetz? Oder wird das Konservative nur als Tarnung benutzt, hinter der nach rechts gewandert wird.

Ich wünsche mir, dass der Konservativismus sich ohne Berührungsängste dazu bekennen kann, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, dass konsensuale sexuelle Handlungen zwischen Menschen niemals mehr Gegenstand politischer Repression werden dürfen und dass Menschen verteidigt werden, die aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität diskriminiert werden. Ja, dass unsere Gesellschaft im konservativsten Sinne bewahrt wird.

Konservativismus will bewahrend sein? Ich wünsche mir, dass er meine Rechte schützt!

Und mal abgesehen von meinen persönlichen Befindlichkeiten: Das ist notwendig. Denn fällt einmal der Konsens über die Bedeutung dieser Grundrechte, dann zersetzt sich wahrscheinlich auch die Bedeutung aller anderen Lehren aus der NS-Zeit, die wir im Grundgesetz festgeschrieben haben. Dann gewinnen Höcke, Weidel und Krah, für die es nur zwei Geschlechter und eine biodeutsche Familie gibt.

Herr Merz, entschuldigen Sie sich bei uns queeren Menschen! Machen Sie klar, dass Ihre Union uns ver­teidigt.

Elya Maurice Conrad, 24, ist Klimaaktivist*in, Rap­pe­r*in und Software Engineer.

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