Eltern müssen Smarte Puppe zerstören: „Leichtes Spiel für Täter“
Nach dem Rechtsgutachten von Stefan Hessel hat die Bundesnetzagentur eine sprechende Puppe verboten. Das Spielzeug sei nicht abhörsicher, sagt dieser.
taz: Herr Hessel, Sie haben ein Rechtsgutachten geschrieben, wonach Herstellung, Vertrieb und sogar Besitz einer internetfähigen sprechenden Puppe namens „My Friend Cayla“ strafbar sind. Die Netzagentur stimmt Ihnen zu und fordert Besitzer dieses Spielzeugs auf, es zu zerstören. Was ist das Problem?
Stefan Hessel: Die Puppe sieht aus wie ein Alltagsgegenstand, ist aber eine getarnte Sendeanlage. Die sind laut Paragraf 90 im Telekommunikationsgesetz (TKG) in Deutschland verboten. Das Spielzeug ist über Bluetooth mit einem Mobiltelefon verbunden – diese Verbindung ist aber nicht abgesichert. Dadurch entstehen Abhörmöglichkeiten. Ich kann mit einem anderen Smartphone oder einem Laptop auf Mikrofon und Lautsprecher der Puppe zugreifen, also Ton aufzeichnen oder auch Ton wiedergeben.
Das heißt, man könnte durch die Puppe sprechen?
Ganz genau. Die britischen Forscher, die diese Sicherheitslücke aufgedeckt haben, haben zum Beispiel Abschnitte aus dem „Schweigen der Lämmer“ auf dem Lautsprecher der Puppe abgespielt.
Aber Programme wie Apples Siri machen doch genau das gleiche – und die sind nicht verboten.
Der Gesetzgeber hat 2011 klargestellt, dass Mobiltelefone von dem Gesetz nicht erfasst sind. Es gibt zwei wichtige Aspekte: ob der Gegenstand eine Sendeanlage ist, und ob er getarnt ist. Speichert ein Gerät mit Mikrofon und Kamera die Daten beispielsweise nur auf einer Speicherkarte, ist er keine Sendeanlage. Der andere Punkt ist die Tarnung. Um verboten zu sein, muss das Objekt vortäuschen, ein Alltagsgegenstand zu sein oder damit verkleidet sein – das bei der Puppe der Fall. Von außen ist die Aufnahme- und Sendefunktion nicht zu erkennen. Bei einem Telefon ist das anders. Ebenso bei offen platzierten Wanzen: Die sind zwar Sendeanlagen, aber nicht getarnt. Man sieht die Antenne und das Mikrofon. Wanzen darf man also besitzen.
Aber ich dürfte sie nicht in einer Puppe verstecken.
Genau. Dann wären sie getarnt. Es kommt immer darauf an, wie und wo die Sendeanlage platziert ist.
25, studiert Jura an der Uni Saarland. Seine Schwerpunkte sind technische und juristische Aspekte der IT-Sicherheit und des Datenschutzes.
Wieso haben Sie sich ausgerechnet diese Puppe vorgenommen? Gibt es nicht viel drängendere Baustellen?
Laut Hersteller ist es die erste smarte Puppe auf dem Markt. Und diese Puppe beinhaltet eine gravierende Sicherheitslücke. Der Hersteller hat es versäumt, sich ausreichend Gedanken um Sicherheitsaspekte und Datenschutz zu machen. Dass so ein Gerät in die Kinderzimmer kommt, ist schon ein starkes Stück. Das Verbot jetzt wirkt hoffentlich auch als Signal an andere Hersteller, dass man seine Geräte abzusichern hat. Ein Berliner Start-up entwickelt auch gerade eine smarte Puppe – dort hat man ganz bewusst auf Mikrofon und Lautsprecher verzichtet, um die Privatsphäre von Kind und Eltern zu schützen.
7-jährige Kinder sagen nun wirklich nicht viel, was irgendeinen Geheimdienst interessiert, oder?
Man sollte sich dabei weniger Gedanken um Geheimdienstangriffe machen als vielmehr um böswillige Streiche von Leuten, die Kinder erschrecken wollen. Und auch im Bereich der Kinderpornografie oder des Kindesmissbrauchs könnten sich Täter Zugriff verschaffen. Es geht dabei weniger um die NSA als um Alltagstäter. Der Hersteller hat mit seiner Nachlässigkeit breite Missbrauchsmöglichkeiten geschaffen.
„Wer will mich schon abhören“, heißt es oft. Gehen wir zu leichtfertig mit unserer Privatsphäre um?
Ich glaube teilweise ja. Für den Endverbraucher ist es aber auch wahnsinnig schwierig zu überprüfen, ob Handy oder Spielzeug sicher sind. Selbst ich kann kaum alle meine Geräte daraufhin überprüfen, ob der Hersteller regelmäßig Sicherheitsupdates liefert. Ich kann zwar entscheiden, meine Geräte nicht mit dem Internet zu verbinden. Aber das ist ja heute nicht mehr immer möglich.
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