Elsässischer Autor und Karikaturist: Tomi Ungerer ist tot
„Das große Liederbuch“ gehörte in jeden Haushalt mit Kindern, er zeichnete aber auch das „Kamasutra der Frösche“: Am Samstag verstarb Tomi Ungerer 87-jährig.
Seinem umfangreichen Werk ist das 2007 eröffnete Tomi-Ungerer-Museum in Straßburg gewidmet. Der Autor verfasste und gestaltete Bilderbücher für Kinder, aber auch satirische Cartoons für Erwachsene. Sein bissiger Blick auf die Menschen steigerte sich zuweilen ins Apokalyptische. Zu seinen Werken gehört aber auch „Das große Liederbuch“, in dem er deutsche Volks- und Kinderlieder gesammelt und mit Zeichnungen versehen hat.
Seine Erotik-Zeichnungen wurden lange als zu provozierend empfunden. Dies Kritik wies er stets zurück. „Ich will entlarven, was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex abhängig machen“, sagte er einmal. Aus dem altindischen Lehrbuch der Liebeskunst machte er „Das Kamasutra der Frösche“. Es gilt in Deutschland als sein erfolgreichstes Buch für Erwachsene.
Jean Thomas Ungerer, genannt Tomi, wurde am 28. November 1931 in Straßburg geboren. Er brach das Gymnasium ab, trampte durch Europa und begann 1953 ein Kunststudium in Straßburg. Er arbeitete als Schaufensterdekorateur und unternahm viele Reisen. 1957 konnte er sich in den USA als Zeichner durchsetzen und wurde unter anderem in der New York Times gedruckt. Seit 1976 lebte er mit seiner dritten Frau in Irland.
Zu Ungerers künstlerischer Laufbahn gehören zahlreiche erfolgreiche Bücher, Ausstellungen und Preise. 1993 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, 1995 den Großen Nationalpreis Frankreichs. 2018 wurde ihm die Ehrenprofessurwürde von Baden-Württemberg verliehen.
Ungerer unterstützte auch soziale Aktivitäten wie das Rote Kreuz, den Kampf gegen Aids und Initiativen für Tierschutz. Als Pazifist protestierte er immer wieder gegen Kriege. Eines seiner Plakate zeigt einen toten US-Soldaten, darunter die Frage: „What Now?“. In dem Band „Es war einmal mein Vater“ rekonstruierte Ungerer das Leben seines jung gestorbenen Vaters Théo, der ein berühmter Uhrmachermeister war. In „Die Gedanken sind frei – Meine Kindheit im Elsass“ erzählte er von den Jahren des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Besatzung und der ersten Zeit danach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja