Autor Tomi Ungerer: Moralist und Voyeur zugleich
Drei bis vier Generationen kennen die ungewöhnlichen Kinderbücher von Tomi Ungerer. Nun ist er 80 Jahre alt und züchtet in Irland Schafe.
Was er sich wohl heute, an seinem achtzigsten Geburtstag, gönnt? Vielleicht eine Dose Mäuse in Öl, die einmal einer seiner Katzen ein überraschtes Grinsen zwischen die acht Schnurrbarthaare trieb? Oder doch lieber eine Pampelmusenbrust, wie sie sich eine von ihm gezeichnete Frau zum frischen Auspressen abgenommen hat?
Auf jeden Fall sollte Tomi Ungerer dicke Küsse bekommen für seine über 80 Kinderbücher und einen kleinen Arschtritt mit High Heels dazu für seinen pornografischen Witz.
Inzwischen sind es wohl schon drei bis vier Generationen, die seine Kinderbücher ob ihrer ungewöhnlichen Geschichten und einer Ästhetik schätzen, die so gar nichts von infantiler Anbiederung hat. Er war ein Kriegskind, 1931 im Elsass geboren, und in der Schulzeit zerrieben zwischen den Fronten der um Hoheit ringenden deutschen und französischen Kultur.
Eine große Sehnsucht nach literarischer und künstlerischer Artikulation blieb ihm dennoch, auch in der Zeit der Heimatlosigkeit, als er vieles ausprobierte, bei der Fremdenlegion, als Matrose und als Anhalter.
Als er 1956 in New York ankommt und ein Jahr später die erste Auszeichnung für ein Kinderbuch erhält, ist er auf dem Markt der Illustratoren zwar ein Neuling und Senkrechtstarter. Aber zugleich auch ein Mann mit Erfahrung, der unter den Intellektuellen New Yorks Freunde findet, wie die Schriftsteller Philip Roth oder Tom Wolfe.
In den sechziger Jahren beginnt Ungerer auch Cartoons für Erwachsene zu publizieren. Da scheint jeder der dürren Striche wie ein Schnitt ins Fleisch und ein seelisches Zucken. Potenzwahn und Sexismus sind seine Themen, er stellt sie bloß, er stellt sie aus, er ist dabei Moralist und Voyeur zugleich.
Seit 1976 lebt Tomi Ungerer wieder in Europa, in Straßburg - die Stadt widmete ihm 2007 ein eigenes Museum - und auf einer Farm in Irland. Für einen Mann, der mit seinen Büchern sicher ein Vermögen gemacht hat, ist die Entscheidung, zugleich auch Schafzüchter zu sein, schon seltsam - als ob er damit in eine seiner Geschichten eingetreten sei. Dass ein Satiriker so nostalgisch sein kann, es sorgt noch immer für Verblüffung.
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