Elon Musks Twitter-Reformen: Für eine Handvoll Dollar
Musk führt ein Abo-Modell auf Twitter ein. User*innen können sich bald einen blauen Haken kaufen, doch das könnte zum Problem werden.
Twitter startet nun tatsächlich sein umstrittenes Abo-Modell. Seit Samstag ist ein Update für das Betriebssystem von Apple erhältlich, das in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und im Vereinigten Königreich „Twitter Blue“ ermöglichen soll: Für monatlich etwa 8 Euro bekommen User*innen dann weniger Werbung angezeigt und können längere Videos posten. Außerdem sollen die Inhalte, die sie teilen, von den Algorithmen priorisiert werden – und sie bekommen einen blauen Haken. In der Beschreibung des Updates im App-Store verkündet Twitter, es gehe dabei „um den Kampf gegen Bots“.
Der blaue Haken war bisher eine optische Auszeichnung von User*innen, deren Identität zweifelsfrei geklärt ist. Er blieb Unternehmen und Menschen mit einer großen Zahl an Follower*innen und Prominenz vorbehalten, die etwa in Politik, Sport oder der Unterhaltungsbranche tätig sind. Dadurch vermittelte der Haken eine gewisse Glaubwürdigkeit.
Dass diese Verifizierung nun en masse gegen Bezahlung stattfinden soll, lässt befürchten, dass Echtheitskontrollen von nun an nicht mehr so genau durchgeführt werden wie bisher. Im Kampf gegen Bots dürfte das kaum helfen. Hinzu kommt, dass die von nun an verifizierten Accounts von der Glaubwürdigkeit des bisherigen blauen Hakens profitieren dürften und ihre Inhalte eben durch das Abo zusätzlich präferiert werden. Sollte es im Zuge der Verifizierungen zu Betrug kommen, so wird der Schaden durch die erhöhte Glaubwürdigkeit umso größer.
Einfluss auf die Midterm-Wahlen in den USA?
Diese Änderung kann nun ausgerechnet zu den anstehenden Midterm-Wahlen in den USA großen Einfluss nehmen. Zu US-Wahlen waren Social-Media-Plattformen in der Vergangenheit besonders anfällig für Desinformation.
Zudem dürfte die Überprüfung von Inhalten, die gegen geltende Gesetze verstoßen, ab jetzt schwieriger für Twitter werden. Denn das Unternehmen hat am Freitag etwa die Hälfte seiner 7.500 Angestellten entlassen. Darunter fallen neben unterschiedlichen Entwicklungsteams wohl auch Moderator*innen. Bei User*innen und Expert*innen wächst nun die Angst vor mehr Hetze und Verschwörungserzählungen auf der Plattform. Der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hatte Musk bereits aufgefordert, die Menschenrechte auf Twitter zu respektieren. Denn auch das Menschenrechts-Team des Unternehmens wurde entlassen. Türk bezeichnete dies als keinen „ermutigenden Start“.
Seit seiner Twitter-Übernahme für 44 Milliarden US-Dollar versucht Musk, die Kosten des Unternehmens zu reduzieren und die Einnahmen zu erhöhen, denn für den Kauf musste er immense Kredite aufnehmen. Dass seine Rechnung jedoch bisher nicht aufgeht, hätte ihm bereits vorher klar sein können. Wie Musk den Kauf Twitters und den nun tiefgreifenden Umbau des Unternehmens dennoch vorantreibt, hat viele Beobachter*innen überrascht.
Eine Vermutung ist, dass dies auch an Musks eigener politischer Haltung liegt. So gilt er als Unterstützer Donald Trumps und hatte in der Vergangenheit bereits selbst Verschwörungserzählungen verbreitet. Die Infrastruktur von Twitter sowie dessen Moderation zu schwächen, stärkt vor allem konservative bis rechte Diskurse auf der Plattform. Musk muss wissen, dass er damit ein Ungleichgewicht auf Twitter erzeugt und verbale Gewalt nährt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch