Elektroautos in Deutschland: Sparsam sein ist teuer
Umweltverbände werfen der Autoindustrie vor, mögliche Käufer von ökologischeren Fahrzeugen mit Aufpreisen abzuschrecken.
Berlin taz | In einer Woche, in Frankfurt auf der IAA, werden die Bosse der Automobilbranche wohl wieder lächelnd mit Ministern vor den neuesten Wagen posieren, es wird Vorträge über Klimaschutz geben und alle werden betonen, wie wichtig zukunftsweisende Technologie für die Unternehmen sind. Und doch: Die Realität sehe anders aus, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte der Umweltschutzorganisation BUND. „Solange so wie im Moment produziert wird, kann ich die ökologischen Ansprüche der Industrie nicht ernst nehmen“, sagt er.
Grund des Anstoßes ist eine Studie des Professors Eckard Helmers von der Universität Trier. Er hat die Entwicklung der Branche über die letzten 40 Jahre analysiert. Sein Ergebnis: Zwar kommen immer effizientere Motoren auf den Markt, gleichzeitig steigt jedoch Gewicht, Ausmaß und Leistung der Fahrzeuge, so dass sich die Klimabilanz über die Jahre verschlechtert hat. Besonders bedenklich: Alternative Antriebsformen, etwa Elektromotoren, würden von der Industrie vernachlässigt.
„Aus ihrer Sicht verständlich“, sagt Helmers, „Die Firmen wollen sich ja nicht selbst kannibalisieren“. Denn, so der Professor weiter, für jedes Elektroauto werde ja ein Wegen mit Verbrennungsmotor weniger gekauft. Und die Technologien für Diesel und Benziner liegen in der Schublade, für die massentaugliche Produktion von Elektroautos wären noch Forschung und Versuche nötig.
Für den Verbraucher seien die E-Fahrzeuge teurer als nötig: „Der aktuelle Preis für Autos mit Elektroantrieb ist mit den Produktionskosten nicht zu rechtfertigen“, sagt Helmers. Seine Vermutung: Die umweltfreundlichen Fahrzeuge sollen bewusst unattraktiv gemacht werden. Die Automobilindustrie weist dagegen darauf hin, dass auch Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselantrieb in den vergangenen Jahren deutlich sparsamer und ökologischer geworden seien.
Den Vorwurf des Forschers Helmers sieht auch Michael Müller-Görnert vom nachhaltig orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) als gerechtfertigt an: „Der Absatz effizienter Fahrzeuge wird aktiv gehemmt“, sagt er. Die Industrie versuche, sich mit wenigen Produkten ein „grünes Mäntelchen“ zu schaffen, sei aber nicht bereit, Opfer für den Klimaschutz bringen. Es sei nun an der Politik, „nicht Hemmer, sondern Treiber“ der umweltfreundlichen Fortbewegung zu sein.
Leser*innenkommentare
Franco
Natürlich könnte das alles schneller von statten gehen, aber Diesel/Benziner sind ja tatsächlich sparsamer geworden, was den Umweltvorteil reiner Elektroautos schmälert und außerdem ist es im Kapitalismus doch nicht verwunderlich dass Hersteller eher an die Wirtschaftlichkeit denken bei der Ausrichtung der Unternehmensstrategie. Anreize für mehr Umweltschutz müssen von der Politik oder vom Käufer kommen.
Das größte Problem bzgl. reiner E-Autos sehe ich bei mangelnder Reichweite (auch wenn es nur "gefühlt" zu wenig ist beim Verbraucher) und fehlender Steckdosen an öffentlichen Parkplätzen. Zumindest bei letzterem könnte die Politik einiges machen, in Amsterdam gab es an fast jeder mittelgroßen Straße 2 bis 4 Steckdosen
Ulrich Frank
@Franco Man hört, Elektrotankstellen betreffend, auf eine merkwürdige Weise immer den Ruf nach dem Staat, bzw. der Politik. Das Benzintankstellennetz wird jedoch auch nicht vom Staat betrieben. Unsre ach so großartige teutsche Industrie scheint, wenn es darum geht, etwas Neues auf die Beine zu stellen, praktisch immer völlig hilflos. Und ruft nach Staat und Geldern. - Endlich einmal selber machen!
mowgli
"Endlich einmal selber machen" ist ein echtes Risiko. Besonders heute, wo die "Marktbereinigung" der letzten Jahrzehnte dafür gesorgt hat, dass nur die größten "Kannibalen" übrig sind.
Es war die blanke Panik, die unsere "Global Player" ganz plötzlich (und sehr temporär) wieder zu Lokalpatrioten gemacht hat. Wer gestern noch sein Heil im fernen Ausland sah, da, wo die Löhne niedrig sind und Märkte noch nicht restlos aufgeteilt, der will sich heute "unterstützen" lassen von "seinem" Staat, von seinem Bundesland. Wobei die eigentlich der Steuerzahler sind, der obendrein auch noch ein guter Kunde sein und bleiben soll. Woher er die dafür nötige Knete nimmt, ist Staat und Indistrie völlig ega. Die wollen, also kriegen sie. Das hat ja schließlich Tradition. Und morgen? Schwärmt man wieder aus.
Nein, ich erwarte nicht, dass wirklich etwas besser wird in nächster Zeit. Der Schrei der Privaten nach der konkurrenzverzerrenden Wohltat des Staates ist vermutlich nur der letzte Schritt vor einer absehbaren Selbstzerfleischung. Mal sehen, was danach kommt. Es muss vielleicht erst noch viel schlechter werden, bevor es besser werden kann...