piwik no script img

Eklat beim PEN America um Masha GessenWegen des Kriegs kein Podium

Die Autorin Masha Gessen ist als Vi­ze­prä­si­den­tin des PEN America zurückgetreten. Sie wolle nicht an falschen Entscheidungen beteiligt sein.

Masha Gessen hat kein Problem mit der Ukraine, aber mit der Reaktion des PEN Foto: Christian Grube/imago

Ein herber Verlust: Die US-Journalistin und Schriftstellerin Masha Gessen ist vom Amt als Vi­ze­prä­si­den­t*in des Schrift­stel­le­r*in­nen­ver­ban­des PEN America zurückgetreten. Sie glaube an die Mission des PEN, dennoch gebe sie den Leitungsposten auf, um nicht in eine Entscheidung involviert zu sein, die sie für falsch halte, zitiert die New York Times Gessen.

Bei der Entscheidung handelt es sich um die Absage einer Podiumsdiskussion mit russischen Teilnehme­r*in­nen zum Thema „Schrift­stel­ler*in­nen im Exil“ im Rahmen des „World Voices Festival“ in New York.

Diesem Schritt vorausgegangen war die Ankündigung der ukrainischen Literaten Artem Chapeye und Artem Tschech, auf ihren Auftritt beim Festival zu verzichten, sollte die andere Veranstaltung wie geplant über die Bühne gehen. Beide dienen derzeit in der ukrainischen Armee.

In der ersten Stellungnahme des PEN America war zunächst, unter Bezugnahme auf Chapeye und Tschech, von einem möglichen Verbot ihrer Rückkehr in die Ukraine die Rede. In einer veränderten Version hieß es dann, für beide hätte es zu einer Ausnahmesitua­tion kommen können, die mit erheblichen politischen und rechtlichen Konsequenzen und Risiken verbunden sei.

Aus politischen und humanitären Gründen

Zudem versuchte sich die Geschäftsführerin des PEN America, Suzanne Nossel in Schadensbegrenzung. So habe die Organisation einen Fehler begangen, weil sie die Vorbehalte der Ukrainer dahingehend interpretiert habe, dass diese sich auf die Teilnahme an einem gemeinsamen Panel, nicht aber auf die Veranstaltung insgesamt bezogen hätten.

In einer Mail an die New York Times meldete sich Artem Chapeye zu Wort. Ein ukrainischer Soldat könne aus politischen und humanitären Gründen nicht „unter einem Dach“ mit Teil­neh­mer*in­nen aus Russland auftreten. „Die einzige Konsequenz wäre mein Schuldgefühl gegenüber all den Menschen, die von der russischen Armee getötet und gefoltert wurden“, heißt es dort.

Masha Gessen stellte noch einmal klar, dass sie sich nicht gegen die Forderungen der Ukrainer gewandt habe. Kyjiw führe einen Verteidigungskrieg mit allen dafür zur Verfügung stehenden Mitteln. Ihr Problem sei ausschließlich die Reaktion des PEN.

Bei den russischen Gästen für das abgesagte Panel, das Masha Gessen hätte moderieren sollen, handelt es sich um den Schriftsteller und Historiker Ilja Wenjawkin sowie die leitende Mitarbeiterin des oppositionellen Fernsehsenders Doschd, Anna Nemzer.

Sie hatten Russland unmittelbar nach dem Beginn von Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine verlassen. Beide arbeiten am Aufbau eines „Archivs unabhängiger russischer Medien“ mit – ein gemeinsames Projekt des PEN America und des Bard College – eine private Hochschule im US-Bundesstaat New York. Ziel des Projektes ist es, 20-jährige Arbeit unabhängiger russischer Medien, die unter Wladimir Putin geschlossen oder blockiert wurden, zu dokumentieren und zu bewahren.

Gessen, Autorin mehrerer Sachbücher und Inhaberin eines russischen und eines US-amerikanischen Passes, lebt mit ihrer Familie seit 2013 ständig in den USA. Begründet hatte sie das mit wachsenden Repressionen gegen Angehörige der LGBTQ+-Community.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Idiotisch! Dafür gibt es leider kein anderes Wort. Masha Gessen hatte schon äußerst scharf mit Putin abgerechnet, als andere noch mit ihm herumgekuschelt haben.

  • Sie, die Zurückgetretene hat ja so recht:



    Wenn nur noch der Unverstand die Richtung vorgibt, wird es armseelig. Warum kann ein Ukrainer nicht mit ausgewiesenen russischen Opostionellen unter einem Dach reden. Weil sie zuhause deswegen Probleme haben?



    Warum?

    • @oldleft:

      Werner hat das Recht Ukrainer dazu zu zwingen an Veranstaltungen mit Russen teilzunehmen?

      • @Magnus_15:

        Es geht nicht um Werner und es zwang niemand es wurde gezwungen.

    • @oldleft:

      Weil in der Ukraine undifferenziert alles russische mit einem Bann belegt ist.



      Das fing schon 29014 an und ist jetzt im Krieg quasi das UA-Mantra.



      Zum Glück gibt es Menschen wie Mawha Gessen, die sich da nicht instrumentalisieren lassen.

  • Wir haben es hier mit einer gefährlichen Militarisierung und der Normalisierung von Nationalismus zu tun. Dass Motive verständlich sein mögen, bedeutet nicht, dass diesen nachgegeben werden sollte.

    Wenn es nicht mehr zumutbar, mit Menschen aus bestimmten Nationen zusammen zu sein und wenn dies offenbar besonders stark bei dienenden Soldaten zu berücksichtigen ist, erleben wir einen Rückfall in erzreaktionäres und rechtes Denken, selbst wenn manche dieses rechte Denken jetzt unter linkem Deckmäntelchen betreiben.

    Gleichzeitig ist es auch eine einzigartige Heuchelei und ein Ausdruck von weißem Überlegenheitsdenken. Denn bei den ganzen anderen Kriegen wurden solche Forderungen nicht erhoben und schon gar nicht unterstützt.

    Diejenigen, die jetzt Menschen anderer Nationen, selbst wenn diese in Opposition zur Machtpolitik in ihrem Land stehen, quasi das Menschsein absprechen (denn ein Zusammensein mit ihnen in einem Raum ist nicht mehr möglich), sind selbst Mitglieder von Nationen, die die Verantwortung für den nun sichtbar werdenden Klimavölkermord tragen, ungerührt tausende Menschen jährlich ertrinken lassen, sowie die Reisefreiheit innerhalb Afrikas durch Bezahlung von Grenzsicherungen einschränken. Wieso ist es zumutbar für Afrikaner:innen mit Mitgliedern solcher Nationen noch in einem Raum zu sein?

    Diese Frage würden sich die entsprechenden Personen freilich nie stellen, sie ist für sie aus nachvollziehbaren Gründen unvorstellbar.

    • @PolitDiscussion:

      abgrund tut sich auf und das nicht seit gestern

  • Wie bescheuert muss man sein, so dermassen nationalistisch zu sein, daß man sich denen verschließt, die im aktuellen Krieg auf der selben Seite stehen.

    • @TV:

      Diese völkischen Töne sind wirklich unfassbar dumm. Leider gibt es aus falsch verstandenem Mitgefühl auch in Deutschland viel zu viel Verständnis für solche Argumente.