Ekel-Bodensatz in Wasserflaschen: Erst Gluckgluck, dann Spuckschluck
Was vom Tage in einer Wasserflasche übrigbleibt, sind Sekrete, Mikropartikel, Reste, Schleim. Ein Horror, den die Sodamaschine noch potenziert.
V or inzwischen zehn Jahren schmähte die Politikwissenschaftlerin Christiane Florin in einem legendär uninspirierten Zeit-Artikel die Studierenden in ihrem Seminar als Ich-bezogene Wassertrinker:innen; ich bin ein Prototyp dieser Generation. Wohlan, lieber wandele ich als Wassertrinker mit schwebender Skepsis durch die Welt, als ein ledergegerbter Boomer zu sein, in dessen Poren Frust, Schweiß und Filterkaffee zu einem undurchdringlichen Stillstandsaggregat verklumpen – aber das nur am Rande.
Ich trinke also sehr viel Wasser. Pro Tag sicher drei Liter, manchmal mehr. Doch hat mir der Spuckschluck den Wassergenuss verleidet. Spuckschluck heißt das, was nach einem harten Tag unten in der Anderthalbliterflasche übrigbleibt. Wasserwasser, Körperwasser, Schleim, Mikropartikel, Sekrete, Reste, Nahrung. Eine Zeit lang sog ich diesen Bodensatz unwissend in mich hinein; eine weitere Zeit lang schüttete ich ihn angewidert weg.
Dann trat die Sodamaschine in mein Leben. Kaum noch Schleppen, ja, klar, aber auch: neue Probleme. Einmal wäre das Gerät fast explodiert, was wäre das für ein würdiger Tod für uns beide gewesen. Und im Alltag die ewige Frage: mit dem Mund aus der Sodamaschinenflasche trinken? Gläser sind hygienischer, dafür etwa nachts im dürstenden Halbschlaf auch unfallgefährdeter.
Im Gegensatz zur klassischen Haustierflasche (im Anglizismus des Volksmunds „PET“ genannt) wird diese Flasche mehrfach verwendet. Der Prozess der Verspuckung geschieht hier additiv, potenziert sich zu impermeablen Superschleimschichten. Jeden Tag wird die Hartplastikflasche trüber und trüber, milchiger und milchiger, kalker und kalker. Wenn das innere Ökogewissen das Wegschütten alter Drittelfüllungen aus Gründen des sinkenden Grundwasserspiegels verbietet, droht das Feuchtbiotop vollends zu verseuchen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Doch auch Wasserwechsel und regelmäßige Spülungen helfen nur bedingt. Denn da gibt es noch die kleinen Rillen, in die der Verschluss greift. Außen eine schicke, glatte, schwarze Fläche, innen geht die unreine Post ab. Wenn Sie so ein Gerät besitzen, wissen Sie, was ich meine: undefinierbaren Debris, krümelige Schlacke, Dunstdreck der übelsten Sorte.
Was tun? Jede Woche eine neue Soda-Flasche kaufen? Oder eine neue Wohnung? Die Suppe direkt im Mund aufsprudeln? Einen Tropf legen lassen? So viel ist klar: Die frischen Jahre sind vorbei. In ein paar Jahren steige ich um auf drei Liter Filterkaffee. Sofortige Verschrumpelung, Aufplustern der nervösen Adern, Reabsorption des Nachtschweißes.
Guten Morgen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers