■ Iran kritisiert Deutschland wegen des Mykonos-Prozesses: Eiszeit in Teheran
Die Teheraner Theokraten werden unruhig. Je näher das Urteil im Mykonos-Prozeß rückt, desto aufgeregter sind ihre Reaktionen. Man ist versucht, die Nervosität als Schuldeingeständnis zu interpretieren – als verzweifelten Versuch, zu verhindern, was nicht mehr zu verhindern ist: ein Urteil, das die Auftraggeber der Attentäter in der iranischen Führung verortet. Doch bis dahin wird das deutsch-iranische Verhältnis noch frostiger werden. Zu den „Down with USA“- Schriftbändern in Irans internationalen Hotels könnten sich solche mit Verwünschungen Deutschlands gesellen. Es bleibt abzuwarten, wieviel internationale Isolation sich Teheran noch zumuten will, wie weit es von Deutschland – immer noch einem der wichtigsten Handelspartner – abrückt.
Die Zeichen aus Teheran lassen Übles befürchten. Seit sich bei den Wahlen im vergangenen März die konservative Klerikerfraktion um Ali Chamenei durchsetzte, hat sich die Atmosphäre verschärft. Interventionen von Menschenrechtsorganisationen diffamieren die Machthaber als „antiislamisch“. Auch wirtschaftlicher Druck ist immer weniger erfolgversprechend. In Handelsfragen orientieren sich die Kleriker in Richtung des islamischen Umlandes.
Am deutlichsten spüren diese Eiszeit die 60 Millionen IranerInnen. Die Versorgungslage wird schlechter, die Gesetze werden noch restriktiver. Kritiker des Regimes müssen um ihr Leben bangen. Eine indirekte Verurteilung durch die Berliner Richter wird von der iranischen Staatsführung mit Sicherheit dazu benutzt werden, um diesen Status quo weiter zu rechtfertigen. Der Westen insgesamt wird als „Satan“ denunziert und iranische Intellektuelle mit regen Kontakten dorthin als „Spione“.
Bei aller Achtung vor der Bundesanwaltschaft im Fall Mykonos – in einem deutschen Gefängnis werden Chamenei und Konsorten nie landen. Davor schützen sie internationale Konventionen und der Wohnort fern jeder Zugriffsmöglichkeit. Ein juristischer Erfolg ist der Mykonos-Prozeß in jedem Fall. Ob er auch ein politischer ist, wird sich erst in den Monaten nach dem Urteil zeigen: wenn die seit 1979 anhaltende Attentatsserie gegen oppositionelle IranerInnen im Ausland abreißen sollte. Angesichts der internationalen Situation hätten Teherans Theokraten gute Gründe, keine Mordaufträge mehr zu vergeben. Doch Machthaber mit dem Rücken zur Wand sind unberechenbar. Thomas Dreger
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