Eishockeyduell ungleicher Weltmächte: Harter Verteidigungskampf

Gegen die USA sind Russlands Eishockeyspielerinnen trotz Unterstützung chinesischer Fans chancenlos. Letztlich ist es doch einfach nur ein Spiel.

Angriffsspiel der US-Frauen aufs russische Tor aus der Vogelperspektive

Russlands Torfrau Maria Sorokina konnte sich als einzige im Team auszeichnen Foto: Jonathan Ernst/reuters

PEKING taz | Wie heißt es immer so schön, wenn das Internationale Olympische Komitee sagt, dass politische Auseinandersetzungen bei den Spielen nichts verloren haben? Rivalitäten sollen rein sportlich ausgetragen werden. Dann schauen wir doch mal. Gleich am ersten offiziellen Wettkampftag trafen die Eishockeymannschaften der USA und Russlands aufeinander. Wenig sprach vor dem Duell für einen ausgeglichenen Wettkampf. Fraueneishockey ist in Russland bei Weitem nicht so entwickelt wie in den USA, deren Team vor vier Jahren Olympiasieger wurde. Kein Wunder also, dass am Ende die Amerikanerinnen mit 5:0 gewonnen hatten.

Es war ein harter Verteidigungskampf, den die Russinnen ihren Gegnerinnen da lieferten. Einer, der gewiss mehr Publikum verdient hätte als die paar Hundert Leutchen, die sich am Samstagabend im Wukesong Sports Centre eingefunden hatten. Die blieben arg ruhig, schwenkten bisweilen brav die Fähnchen, die man ihnen ausgeteilt hatte, und wollten sich auch dann nicht bewegen, als ein völlig überdrehter DJ in einer Auszeit mit einer grauenvollen Plastiktechnoversion des russischen Gassenhauers „Katjuscha“ den Aufpeitscher zu geben versuchte.

Mit der Auswahl des Liedes lag er ganz richtig. Denn die Anwesenden standen eindeutig hinter dem russischen Team. Immer wenn eine Stürmerin vor dem US-Tor auftauchte, waren Anfeuerungsrufe zu hören – zurückhaltend zwar, aber deutlich vernehmbar. Weil das im gesamten ersten Drittel aber nur zweimal der Fall war, blieb es weitgehend ruhig in der Halle.

Die Frage, wer eigentlich eine der seltenen Karten für ein Olympiaevent ausgehändigt bekommt, drängte sich da auf. In einer Präsentation des Organisationskomitees hieß es, die 150.000 Karten, die insgesamt für Zuschauer außerhalb der olympischen Blase vergeben werden, seien vor allem für „internationale Freunde, die in China leben, Botschaftsmitglieder, Sponsoren, Wintersportfanatiker, Bewohner von Vororten, Grund- und Mittelschüler“ reserviert. Das lässt nicht viele Rückschlüsse darauf zu, wie die Russenfreunde für das Eishockeyspiel ausgewählt wurden.

62 Torschüsse der US-Frauen

Die sahen ein irrsinnig schnelles Team aus den USA. Sie feuerten auf das russische Tor, dass es eine Qual für die Zuschauer gewesen sein muss. Am Ende hatten sie 62-mal abgezogen, während es die Russinnen nur auf zwölf Schüsse brachten. Es wären noch mehr gewesen, hätten die Russinnen nicht immer wieder ihre Körper in die Schussbahn geworfen. „Wir haben viele blaue Flecken und kleine Verletzungen, aber das ist okay, das ist Eishockey“, sagte der russische Trainer Jewgeni Bobariko hinterher.

Er wusste auch, dass er es vor allem seiner 26-jährigen Torfrau Maria Sorokina zu verdanken hatte, dass die USA nach zwei Dritteln erst zwei Tore geschossen hatte. Schier unfassbare 38 Paraden waren ihr gelungen. „Dafür bin ich ja da“, sagte die hinterher, als wäre das die größte Selbstverständlichkeit. „Und wenn es 500 wären, das ist doch meine Aufgabe.“ Sie lächelte, so wie sie gelächelt hat, als sie nach dem fünften Tor ersetzt wurde. Es soll ja schließlich Spaß machen und es stehen noch ein paar Spiele an in der Vorrundengruppe A.

Wer da allerdings für die Russinnen auf dem Eis stehen wird, ist ungewiss. Nach der Anreise nach Peking waren sechs Spielerinnen nach positiven Coronatests in Quarantäne geschickt worden. Eine von ihnen, Angelina Gontscharenko, war kurz vor dem Spiel aus der Isolation entlassen worden. Damit hatte auch der Trainer nicht gerechnet. Um 23 Uhr abends sei er angerufen worden. Man könne die Spielerin jetzt abholen. Eigentlich wollte Bobariko die Rückkehrerin noch nicht spielen lassen. Doch dann kam die Nachricht, dass Jelena Derga­tschowa positiv getestet worden ist, und so ließ er Gontscharenko doch spielen. Nach sieben Tagen ohne Training habe sie ihre Sache ganz gut gemacht.

Für ihn gab es also Wichtigeres, als über die Rolle seines Teams im Kampf der Großmächte zu sinnieren. In dieser Hinsicht sorgte die 19-jährige Abbey Murphy für den Höhepunkt des Abends. Sie zimmerte Maria Petschnikowa eine stramme Linke auf den Helm, nachdem sie von dieser gefoult worden war. Doch das war hinterher für niemanden mehr der Rede wert. Es war dann doch nur ein Spiel.

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