piwik no script img

Eintracht Frankfurt in der Europa LeagueUnser Platz ist hier

Fußball erzählt immer etwas vom Leben. Der Erfolg der Frankfurter Eintracht am Donnerstagabend erzählt von Demokratie.

Plötzlich war es wieder das Waldstadion der Eintracht: Frankfurt-Fan nach dem West-Ham-Spiel Foto: dpa/Anspach

S portlich betrachtet, ist da nur Respekt und Bewunderung. Das 1:0 Eintracht Frankfurts gegen West Ham United am Donnerstag stellt unter rein fußballerischen Gesichtspunkten noch eine Steigerung des bisherigen Auftritte der Eintracht in der Europa League da: Endlich mal ein Heimsieg, nachdem es zuletzt etwa gegen Barcelona oder Sevilla zu Hause nur Unentschieden gab und die Reise ins Finale durch Auswärtssiege sichergestellt wurde.

Wer jetzt sagt, dass es ja nie nur den Sport gibt, dass der große Fußball, den die Eintracht-Männer zelebrierten, immer etwas von den Bedingungen erzählt, unter denen er entstehen konnte, hat ja Recht. Schaut man mit diesem kritisch geschärften Blick auf den Donnerstagabend im Frankfurter Stadtwald, bleibt – immer noch Respekt und Bewunderung.

Es war nämlich einmal mehr zu erleben, dass der Erfolg nicht nur das Ergebnis der Leistung des Profikaders, nicht nur Resultat der taktischen Einstellung durch Trainer Oliver Glasner und seines Teams, und noch weniger der Arbeit von Präsident und Sportdirektor entsprungen ist. Niemand von denen ist unwichtig, alle haben enorm wichtige Arbeit geleistet und es danach zu Recht krachen lassen. Und doch ist der Erfolg des Teams, der Einzug ins zweitwichtige Finale des europäischen Fußballs, nicht allein durch sie zu erklären.

„Wir sind die Eintracht“ gehört zu den Sätzen, die Frankfurt-Fans sagen, und schon an der Frage, ob ein solches Bekenntnis plausibel anmutet, ist etwas zu erkennen. Ein „Wir sind RasenBallsport“ klingt schlicht nicht überzeugend, und das ist nicht denunziatorisch gegenüber dem ausgeschiedenen Ligakonkurrenten aus Leipzig gemeint. Es soll vielmehr einen Hinweis auf die demokratische Kraft des Fußballs geben: „Wir sind die Eintracht“ heißt: Wir sind der Verein, heißt: Wir gehören hier zwingend hin, ohne uns seid ihr nichts, wir müssen gehört werden – um so nachhaltiger, desto besser desto demokratischer.

Lob der demokratischen Kraft der Fans

Die Macht der Eintracht-Frankfurt-Fans war am Donnerstagabend nicht zu übersehen und nicht zu überhören. Zunächst gab es eine beeindruckende Choreo, während des Spiels Gesänge von der Art, die auch dazu gehören, um im Fußball ein großes Stück Kultur zu erkennen, und kurz vor dem Abpfiff zeigten die Fans, indem sie sich am Spielfeldrand aufbauten, dass hier gleich ihre Party stattfinden wird. Und es wurde ihr Fest.

Wir sind die Eintracht heißt: Wir müssen gehört werden – um so nachhaltiger, desto besser desto demokratischer

Nun darf das Lob der demokratischen Kraft der Fans nie mit unehrlicher Lobhudelei einhergehen. Zu diesem Zeitpunkt durfte und musste man sich um die Spieler von West Ham United ebenso sorgen wie um deren mitgereiste Fans. Aber die englische Mannschaft verließ mit Abpfiff schnell den Rasen, und die wenigen Eintracht-Fans, die glaubten, ihre Freude müsse sich in Hass auf West-Ham-Supporter ausdrücken, wurden von der Polizei daran gehindert.

Was blieb und bleibt, war tatsächlich ein großer Abend, der gezeigt hat, was möglich ist, wenn Menschen etwas wollen, gegen das auch kritischste Kritiker nichts einwenden können – und das vermutlich nicht möglich wäre, in keinem Fall aber so schön, wenn es ohne diese Menschen geschähe. „Die Dankbarkeit und die Freude der Fans, das ist doch schön“, hat Trainer Oliver Glasner gesagt, dessen Job es ja ist, die Kräfte zu analysieren, die zum Erfolg eines Fußballspiels gehören. „Das Tor ist ramponiert. Das war das Schlimmste, was passiert ist.“

Das ist unser Platz, unser Platz ist hier. So etwa lässt sich – vielleicht wenige Prozent zu pathetisch formuliert – der Einzug von Eintracht Frankfurt ins Europa-League-Finale beschreiben. Und schön daran ist, dass es beim Finalgegner Glasgow Rangers ziemlich ähnlich ist.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • „Hinweis auf die demokratische Kraft des Fußballs geben: „Wir sind die Eintracht“ heißt: Wir sind der Verein, heißt: Wir gehören hier zwingend hin, ohne uns seid ihr nichts, wir müssen gehört werden – um so nachhaltiger, desto besser desto demokratischer.“ Das ist doch albern, Fussballfanatismus ist ganz offensichtlich eher mit antidemokratischem Nationalismus kompatibel (extrem siehe z.B. Balkan, zugeben die Frankfurter Fans sind in D noch die mit der angenehmsten Haltung). Sagt mit Guzmann ein seit Jahrzehnten bekennender West-Ham-United-Fan

  • Na hoffentlich sind alle Spieler bis zum Endspiel wieder von Corona geheilt, nach dem Bad in der Fan-Menge...

  • Finds schön wenn mal die Vereine aus den mittleren Rängen die Schlagzeilen machen.



    Als Frankfurter schätz ich auch die Arbeit der Polizei die Fans strikt zu trennen. Und Gewalttäter Festzunehmen.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Ein im besten Sinn kritischer Kommentar.



    Und meine ergänzende Meinung:



    Der (mit spielentscheidende) Platzverweis hätte nicht zwingend sein müssen.



    Das Dilemma allerdings liegt zwar auch, aber weniger bei den Schiedsrichtern, als im Regelwerk.



    Hätte der Schiri die Möglichkeit "Rot auf Bewährung" (also Gelb mit der Folge Gelb-Rot bei einem "minderschweren" folgenden Vergehen, das natürlich auch so exekutiert werden müsste), wäre Rot in dem Fall vermeidbar gewesen und das Spiel wahrscheinich offener verlaufen. Ist ja eigentlich faktisch auch schon möglich - nur trauen sich die Schiris nicht, das so zu handhaben.



    Zu RB Leipzig: Warum dürfen die nicht einfach "Red Bull" heißen und müssen zu dem lächelichen Name greifen, den sie jetzt haben?



    Der Fußball ist von der Kohle eh verseucht - und das wird so bleiben: Paris, Madrid (beide), Bacelona, Turin, Mailand (beide), Chelsea, Liverpool, Manchester (beide), Arsenal, Tottenham. Alle in direktem oder vertuschtem Besitz von Scheichs und Oligarchen (westlichen und östlichen). Und auch der größte (deutsche) "Club" der Welt biedert sich bei Finanzhaien an - gegen entsprechende Honorierung.



    Fazit: Frankfurt verdient im Finale.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Sie widersprechen sich selbst.



      Schließlich ist der Schiedsrichter an das Regelwerk gebunden.



      Der Schiri wiederum hat immer einen Interpretationsspielraum.



      Im vorliegenden Fall hätte er durchaus den Zweikampf als regelgerecht ansehen können. Dann würde sich jetzt viele über eine Fehlentscheidung aufregen.



      Aber der Schiri hat richtig erkannt, daß es ein Foul war. Was er nicht auf Anhieb erkannt hat war, daß der foulende Spieler der letzte Mann seines Teams vor dem Torwart war.



      Nachdem er das auf Hinweis des VAR erkennen konnte, war die rote Karte folgerichtig und regelgerecht.



      Ein "Rot auf Bewährung" wäre demgegenüber doch vollkommener Nonsens. Für die von Ihnen angesprochenen "minderschweren" Vergehen gibt es jetzt schon Freistoß - im Strafraum Strafstoß - und gelbe Karten.

      • 6G
        655170 (Profil gelöscht)
        @Don Geraldo:

        Da haben Sie was falsch verstanden, nicht verstanden oder ich hab' mich nicht klar genug ausgedrückt:



        Das "Rot auf Bewährung" gbt es faktisch natürlich - und es wird von guten, selbstbewussten Schiedsrichtern auch angewandt ("Pass auf Junge, diesmal gibt's gerade noch Gelb. Aber das ist das letzte Mal - das nächste Mal gibt's Rot.")



        Und das wäre auch hier - bei einem Top-Schiedsrichter und der Beurteilung der Gesamtsituation) durchaus möglich und angemessen gewesen.



        Schwächere Schiris klammern sich mehr buchstabengetreu an's Regelwerk.



        Was ich aber bei der Spielbeurteilung noch vergaß ist der Ausfall von Hinteregger. Ich mag seine Spielweise nicht sehr; sie entspricht zu sehr der Augsburger Klopper-Tradition (Verhaegh, Kohr, Stafylidis, Hinteregger et.al.). Aber im Hinspiel war er für mich der Akteur auf dem Platz.

        • @655170 (Profil gelöscht):

          Sie haben sich schon richtig ausgedrückt, aber Ihre Schlußfolgerungen sind falsch.

          Der Schiedsrichter hat einen Interpretationsspielraum bei jeder Zweikampfsituation. Daher gibt es immer wieder die Situation, daß es für das gleiche Verhalten mal die rote Karte und mal nicht mal einen Freistoß gibt.



          Selbst wenn der Schiri die gelbe Karte gibt, kann das ja die von Ihnen erwähnte "Bewährung" sein.

          Bei der "Notbremse" hat der Schiri ebenfalls noch einen Interpretationsspielraum. Kein Rot gibt es, wenn



          - es keine klare Torchance war



          - ein anderer Feldspieler noch hätte eingreifen können.