Einsatz von Werksarbeitern: DPD-Beschäftigte wehren sich gegen Lohndumping
In Wilhelmsburg protestieren Beschäftigte des DPD-Depots gegen ihre Versetzung in die Nachtschicht und die Einstellung von Billigkräften.
Die Demo würde vielleicht in der Fußgängerzone auffallen, hier draußen aber schaut niemand. Die LKWs fahren weiter hinein in die Hofeinfahrt gegenüber, sie tragen das Logo von DPD, dem Paketdienstleister. Die protestierenden Arbeiter sind dort beschäftigt, viele von ihnen ein halbes Leben.
Sie haben sich eingerichtet mit ihrer Arbeit. „Wir haben Kinder großgezogen“, sagt einer von ihnen. Die Zeiten waren fest. Um zwölf Uhr ging es los, abends waren sie wieder zuhause. Doch genau das soll sich ändern: Nach den Plänen des Konzerns sollen die Arbeiter aus der Spätschicht in die Nachtschicht verschoben werden, die dann wirklich erst in der Nacht beginnt.
Die Arbeiter bei DPD sind über die Pläne wütend, das ist zu merken. „Ich hab’ kein Auto, ich hab’ kein Fahrrad“, sagt einer der Arbeiter, der auch eines der Plakate hält und in Buxtehude wohnt. „Wie soll ich dann noch bei meiner Frau schlafen?“
Die Arbeit bei DPD ist schwer
Die Veränderungen in der Schichtbesetzung hängen damit zusammen, dass das Depot in Wilhelmsburg zum Hub aufgewertet wird, auch der Umschlag vom und ins Ausland wird dort nun abgewickelt. Die Nachtschicht solle darum ausgebaut werden, sagt Betriebsrätin Susanne Labusch, die die einzige Frau bei der Kundgebung ist.
Die Arbeit bei DPD ist schwer, die Pakete wiegen bis zu 31,5 Kilogramm. „Wenn ich da zu Besuch bin, seh’ ich die Männer oft schwitzen, die sind dann knallrot im Gesicht“, sagt Nicolai Franke von der Gewerkschaft Ver.di und erzählt, dass über das DPD-Depot in Wilhelmsburg sogar Reifen verschickt werden. Es gebe Abmachungen mit den Händlern in der Nachbarschaft.
Doch dass die Männer von der Spätschicht gegen ihren Willen in die Nachtschicht versetzt werden sollen, ist das eine. Das andere ist, dass ihre frei werdenden Stellen durch Werksarbeiter besetzt werden sollen, so berichtet es der Ver.di-Mann Franke.
Werksarbeiter seien anders als Leiharbeiter überhaupt nicht mehr an einen Tarif gebunden. Sie gehörten streng genommen nicht einmal zum Betrieb, sondern führten als externe Dienstleiter einen Auftrag aus. „Mehr als den Mindestlohn bekommen die nicht“, sagt Franke.
Er und Betriebsrätin Labusch glauben, dass damit auch die Stellung der Gewerkschaften bei DPD geschwächt werden könnte: Werksarbeiter können keinen Betriebsrat wählen, und bei Tarifverhandlungen sind sie auch nicht dabei.
Der DPD-Konzern tue sich mit seiner Strategie womöglich keinen Gefallen, glaubt die Gewerkschaft Ver.di. „Vielleicht überlegen sie es sich ja noch einmal, wenn sie sehen, dass der Inhalt der Pakte zerbrochen ausgeliefert wird“, sagt Labusch.
Aus der Hamburger Bürgerschaft ist Kay Jäger von der Linksfraktion gekommen, der selbst Hafenarbeiter ist. „Wir stehen an eurer Seite“, sagt er ins Mikrofon, das die Gewerkschaft mitgebracht hat, ebenso wie den Lautsprecher. „Das ist Outsourcing, was bei euch stattfinden soll, und die euch ersetzen sollen, kommen zu deutlich schlechteren Bedingungen. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht nicht.“
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