Einigung zum Kohleausstieg: Nächstes Ziel? Kraftwerk stoppen
„Wir heizen weiter auf die Klimakrise zu“: Aktivist*innen aus dem Hambacher Wald kritisieren den Kohleausstiegsplan von Bund und Ländern.

Ende Gelände: Protestmarsch der Bewegung im Sommer 2019 Foto: Jochen Tack/imago
HAMBACHER WALD taz | Im Hambacher Forst, den bedrohten Dörfern am Tagebau Garzweiler und bei Ende Gelände mag nach der Einigung von Bund und Ländern auf einen Kohleausstieg keine Feierstimmung aufkommen. „Klar, es ist ein Teilerfolg“, sagt Waldbewohner Clumsy. „Aber die Bagger baggern weiter. Wir heizen weiter auf die Klimakrise zu. In NRW soll ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gehen. Da sind ganz viele Baustellen. Genauso die Dörfer bei Garzweiler, die weiter abgebaggert werden sollen. Das hier ist ein kleiner Schritt in einem Marathon, den wir gerade laufen.“
Der Plan, den NRW-Ministerpräsident Laschet als „Plan der Vernunft“ bezeichnete, sieht vor, dass aktuell bewohnte Dörfer im Laufe der 20er Jahre wie geplant für Kohle weggebaggert werden sollen. Wer nicht verkaufen will, soll enteignet werden. „Wir alle sind, glaube ich, darüber schockiert“, sagt David Dresen aus Kuckum. „Weil wir nicht damit gerechnet hatten, dass Laschet jetzt schon fordert, dass die Dörfer abgerissen werden sollen. Mit uns hat er keinen Dialog gesucht. Er macht ausschließlich, was RWE will. Wir hatten heute mehrere Krisensitzungen. Wir fühlen uns hintergangen, und wir sind uns einig: Jetzt erst recht. Es reicht nicht fürs Klima, es reicht nicht für uns.“
Seine Mutter, Marita Dresen, äußert Sorge um die älteren Menschen vor Ort. „Viele haben sich hier ihre Existenz aufgebaut. Sie müssten ins Altersheim, wenn sie hier fortmüssten, weil sie es nicht schaffen würden, noch mal ein Haus zu bauen. Viele sagen, sie wollen lieber vorher sterben. Wissen Sie, wie schlimm das ist? Wenn Ihre Eltern sagen: ‚Hoffentlich sterben wir früher.‘? Davon spricht die Politik nicht.“
Die Menschen in den Dörfern kritisieren, die Landesregierung versuche, Wald und Dörfer gegeneinander auszuspielen. „Im Moment bin ich glücklich, dass der Wald bleibt – aber auch wütend“, sagt Britta Kox aus dem Dorf Berverath. „Wir werden jetzt noch mehr Kraft sammeln und noch mehr auf die Straße gehen und uns noch mehr zusammenschließen mit den Leuten aus dem Wald.“
Gemeinsam gegen den Tagebau
Neun Familien aus den Dörfern haben sich zusammengetan: Sie besitzen gemeinsam eine Wiese, die näher am Tagebau liegt als die Dörfer. Sie würden nur darauf warten, dass RWE ein Enteignungsverfahren beginne, sagt Barbara Ziemann-Oberherr aus Keyenberg. „Warum steht der Hambacher Forst noch? Weil RWE vor Gericht nicht beweisen konnte, dass die Kohle für die Stromversorgung unverzichtbar ist. Wir werden jetzt den juristischen Weg einschreiten.“
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Dieses Jahr soll in NRW ein neues Steinkohlekraftwerk, Datteln 4, ans Netz gehen. „Wir werden gegen dieses Kraftwerk so sehr kämpfen, wie wir für den Hambi gekämpft haben“, sagt Kathrin Henneberger, eine Sprecherin von Ende Gelände. „Gleichzeitig stehen wir solidarisch an der Seite der Menschen in den bedrohten Dörfern. Wir werden nicht zulassen, dass diese Dörfer abgebaggert werden.“ Gerade der Hambi habe gezeigt, dass das Unmögliche möglich werde, wenn man sich zusammenschließt, so Henneberger.
Leser*innenkommentare
Denkender_Buerger
Sollen sie ruhig machen.
Wenn uns die Saudis das nächste mal den Ölhahn oder Putin uns mal den Gashahn abdeht, werden sie schon merken, was sie davon haben.
Zu Beginn der Proteste am Hambacher Forst vor zwei Jahren standen Ökolobby und Enegriebranche am Abgrund - heute sind beide einen Schritt weiter ...
prius
@Denkender_Buerger im ersten quartal 2020 ist über 50% des stroms aus wind und sonne erzeugt worden und das obwohl bei wind immer noch windräder stillstehn(wohne an einem windpark und seh das häufig).vor den küsten europas werden schon jede menge windparks gebaut geplant.also energie ist massenhaft da man muss nicht den dreck aus saudi arabien und russland kaufen(kostet die eu bürger über 1 billion euro pro jahr das geld könnte also in der eu bleiben)
Bernd Schlüter
Jetzt sollen die Braunkohlekraftwerksbetreiber auch noch dafür entschädigt werden, weil sie irgendwann CO2-Steuer bezahlen sollen! Wie können wir nur so etwas zulassen?
Ja, russisches Erdgas! Jedes Gramm verbranntes Gas ist ein Gramm Methan weniger, das die Atmosphäre aufheizen kann.
Herrn Altmeier müssen wir zugute halten, dass er die Tore für amerikanisches Flüssiggas und russisches Erdgas weit öffnet. Bei Kohle ist er nun mal befangen.
In deren Lobby speist man übrigens sehr gut!
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Na dann als Alternative russisches Erdgas. Bis einer ausrechnet, wieviel Methan bei Förderung, Transport und Verwendung frei wird und das dem Klima schadet. Was dann?
TazTiz
Es gibt sicher noch den einen oder anderen Besitzer (von bisher wertvollen Dingen), der nicht enteignet werden möchte. Der Enteignungsformen gibt es viele: Steuern und Abgaben auf Bestehendes, Verbote und Beschränkungen bei der Nutzung und Entwicklung, Vernachlässigung der umgebenden Infrastrukturen und und und ... warum bei solch Partikularinteressen wie Grundstückseigentum am Tagebau halt machen? Jeder Besitzende soll wie er will, bloß keine Opfer mehr ...
tomás zerolo
Ach. Da geht enteignen plötzlich.
DiMa
Die taz hat zusammen mit anderen Blättern durch ihre quasi tägliche Berichterstattung doch erst dafür gesorgt, dass RWE in der Lage war, einen so guten Deal rauszuholen. RWE musste nichts anderes machen, als die Flamme ordentlich köcheln zu lassen. Ein Ablenkungsmanöver par exellence. Man musste nur dafür Sorge tragen, dass das Wäldchen nicht schon durch die Kohlekomission als sicher gerettet galt und konnte jetzt richtig absahnen.
Ich frag mich nur, ob man die Baumbesetzer bezahlen musste oder ob die ihren Dienst kostenlos geleistet haben.