Einigung beim Lieferkettengesetz: Kompromiss für gute Arbeitsplätze
Das Gesetz könnte schon bald den Bundestag passieren. Zusätzliche Entschädigungen bei Menschenrechtsverstößen werden formal ausgeschlossen.
Grundsätzlich verpflichtet das Gesetz hiesige Firmen, die Menschenrechte der Arbeiterinnen und Arbeiter in ihren ausländischen Zulieferfabriken zu schützen. Die in Deutschland ansässigen Auftraggeber und Händler müssen sich dann beispielsweise darum kümmern, dass die Beschäftigten in Asien, Afrika und Lateinamerika ausreichende Bezahlung erhalten und die Lieferanten keine Kinder arbeiten lassen. Kommen die Unternehmen ihrer Verantwortung nicht nach, drohen ihnen Bußgelder und Klagen vor hiesigen Gerichten. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatten das Gesetz vorangetrieben, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verzögerte es.
Bis zuletzt kritisierte der Wirtschaftsflügel der Union, infolge des Gesetzes drohten einheimischen Firmen zahlreiche Prozesse. Deshalb wurde eine Klarstellung gewünscht, um zivilrechtliche Entschädigungen auf Basis deutschen Rechts zu erschweren. Nach Information der taz lautet die Formulierung nun: „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt.“
Die ohnehin im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Haftung für Firmen würde also weiter gelten – wobei es für geschädigte Beschäftigte aus dem Ausland sehr schwierig ist, diesen Weg zu deutschen Gerichten zu gehen. Zusätzlich im Lieferkettengesetz enthalten ist aber die Einführung der sogenannten Prozessstandschaft. Etwa die Industriegewerkschaft Metall könnte im Namen geschädigter ausländischer Arbeiter vor einem deutschen Gericht klagen – allerdings auf Rechtsbasis des Landes, in dem die Zulieferfabrik steht. Auch diese Variante ist häufig kompliziert. Eine Entschädigungsklage gegen den Textildiscounter KiK scheiterte Anfang 2019 beispielsweise an der Verjährung nach pakistanischem Recht. Es ging um Tote beim Brand einer Textilfabrik in Pakistan 2012.
Das „dümmste Gesetz“ der großen Koalition
Auf Wunsch der Union soll das Gesetz nun auch die Niederlassungen ausländischer Konzerne in Deutschland erfassen. Es wird ab 2023 zunächst für Firmen ab 3.000 Beschäftigte gelten, ab 2024 dann für Unternehmen ab 1.000 Leute. Insgesamt fallen darunter etwa 4.800 Firmen.
Im Bereich der zivilrechtlichen Haftung sei „eine wichtige Begrenzung vorgenommen“ worden, erklärte die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA). Insgesamt bleibe das Gesetz aber „überflüssig“. Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, beschwerte sich: „Unternehmen werden mit dem Gesetz dazu verpflichtet, die Herkunft jeder kleinen Schraube und jedes Bleistifts zu dokumentieren.“ Er bezeichnete das Vorhaben als „das dümmste Gesetz, das von der großen Koalition verabschiedet wurde“. Armin Paasch von der katholischen Entwicklungsorganisation Misereor sagte dagegen: „Trotz Schwächen ein wichtiger erster Schritt zum Menschenrechte-Schutz in Lieferketten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen