Einigung bei Vorratsdatenspeicherung: Der Quick-Freeze kommt
Die Ampel einigt sich auf einen Kompromiss zur Speicherung von Kommunikationsdaten. Das ist ein Erfolg für Justizminister Buschmann und die FDP.
Die Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahrzehnten ein zentrales Streitthema der deutschen Innen- und Rechtspolitik. 2007 wurde sie von der damaligen Großen Koalition zum ersten Mal eingeführt, dann aber 2010 vom Bundesverfassungsgericht wegen unzureichendem Schutz der gespeicherten Daten gekippt. 2015 führte die nächste Große Koalition die Vorratsdatenspeicherung wieder ein. Aufgrund rechtlicher Bedenken wurde sie aber nie praktiziert. Im September 2022 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass das deutsche Gesetz gegen EU-Recht zum Datenschutz verstößt.
Als Vorratsdatenspeicherung bezeichnet man die anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten der gesamten Bevölkerung. Telefonfirmen müssen dabei festhalten, wer wann wen angerufen oder angesimst hat. Internetprovider müssen speichern, wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet einloggte. Bei Mobiltelefonen wird auch der Standort registriert. Inhalte werden zwar nicht erfasst. Dennoch entstünde so ein riesiger Datenfundus, auf den die Polizei bei Bedarf zugreifen könnte.
Diese Vorratsdatenspeicherung steht immer noch im Gesetzblatt, in den Paragrafen 175 bis 181 des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Das Justizministerium wollte sie eigentlich streichen, doch die Bundesregierung beschloss nun, die Normen nicht zu entfernen. Da sie aber noch nie angewandt wurden und nach dem EuGH-Urteil auch nicht angewandt werden dürfen, hat dies wohl nur symbolische Bedeutung, quasi als Trost für Innenministerin Faeser.
Nur gezieltes Auftauen erlaubt
Faeser setzt sich seit dem EuGH-Urteil dafür ein, die Vorratsdatenspeicherung in reduziertem Umfang neu zu beschließen. Nur die IP-Adressen sollten auf Vorrat gespeichert werden, um damit sogenannte Kinderpornografie aufzuklären. Der EuGH hat eine derart reduzierte Vorratsdatenspeicherung für zulässig erklärt, sie widerspricht aber dem Koalitionsvertrag des Ampelbündnisses, weshalb Justizminister Buschmann jede Diskussion über eine IP-Adressen-Speicherung ablehnte.
Die noch bestehenden Regelungen im TKG können auch nicht genutzt werden, um ohne Beteiligung des Gesetzgebers, also des Bundestags, eine IP-Adressen-Speicherung einzuführen. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat im August 2023 entschieden, dass die TKG-Regeln nicht in diesem Sinne ausgelegt werden können.
Stattdessen soll nun das Quick-Freeze-Verfahren in der Strafprozessordnung eingeführt werden. Hier werden Daten nicht auf Vorrat gespeichert, sondern erst, wenn ein Verbrechen geschehen ist. Die Polizei kritisiert, dass so nur Daten gespeichert werden können, die noch vorhanden sind. Was lange im Vorfeld einer Tat passierte, lasse sich so nicht rekonstruieren.
Justizminister Buschmann hat bereits im Oktober 2022 einen Gesetzentwurf zur Regelung des Quick-Freeze-Verfahrens vorgelegt. Laut Gesetzentwurf dürfen alle Verkehrsdaten gespeichert werden, die für die Ermittlungen noch „von Bedeutung“ sein könnten. So können Daten von Dutzenden, aber auch von Tausenden Personen erfasst werden. Später dürfen aber nur solche Daten „aufgetaut“, also von der Polizei verwendet werden, die zu konkret Verdächtigen gehören. Alle übrigen Daten müssen ungenutzt wieder gelöscht werden.
Buschmanns Gesetzentwurf soll nun mit leichten redaktionellen Anpassungen den Bundesländern und den Verbänden übersandt werden, damit diese Stellung nehmen könnnen.
FDP und Grüne begrüßten umgehend die Einigung der Bundesregierung. Auch der Deutsche Anwaltverein und eco, der Verband der Internetwirtschaft, zeigten sich erfreut. Für die SPD erklärte Fraktionsvize Dirk Wiese: „Im parlamentarischen Verfahren werden wir nun intensiv beraten, wie die Quick-Freeze-Methode den Anforderungen einer effizienten Strafverfolgung im Internet gerecht wird.“ Noch vor wenigen Tagen hatte Wiese im Handelsblatt die sofortige Einführung der Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen gefordert.
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