Einigung auf Gesetzentwurf: Selbstbestimmung rückt näher
Justiz- und Familienministerium haben sich auf einen Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz geeinigt. Nächste Woche geht er in die Verbandsanhörung.
![Marco Buschmannn und Lisa Paus stehen gemeinsam auf der Bundespressekonferenz und halten das Papier zum Selbstbestimmungsgesetz in die Kamera Marco Buschmannn und Lisa Paus stehen gemeinsam auf der Bundespressekonferenz und halten das Papier zum Selbstbestimmungsgesetz in die Kamera](https://taz.de/picture/6235159/14/30515746-1.jpeg)
Der Gesetzentwurf sieht demnach vor, dass der Geschlechtseintrag sowie Vornamen künftig beim Standesamt geändert werden können. Nach einer dreimonatigen Wartezeit ist die Änderung gültig. Kinder und Jugendliche sollen mit dem Einverständnis ihrer Sorgeberechtigten Vornamen sowie Geschlechtseintrag ändern können. Sind die Jugendlichen über 14 Jahre alt und ihre Sorgeberechtigten stimmen nicht zu, kann ein Familiengericht diese Zustimmung ersetzen.
Weiterhin vorgesehen ist eine Übergangslösung für trans, inter und nicht-binäre Eltern: Wurde bislang ein falsches Geschlecht in der Geburtsurkunde der Kinder festgehalten, so können künftig die Worte „Mutter“ wie „Vater“ durch die Bezeichnung „Elternteil“ ersetzt werden. Zudem wird gelten: Wer den Deadname, also den ehemaligen Namen einer Person, ohne deren Einverständnis preisgibt, dem droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.
Zuletzt kam es bei den Abstimmungen zwischen den zuständigen Ministerien immer wieder zu Verzögerungen, ursprünglich war der Gesetzentwurf für vergangenes Jahr angekündigt. Bereits im Juni 2022 wurden Eckpunkte für das Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt, die nun weitestgehend im Gesetzentwurf auch wiederzufinden sind. Bislang noch nicht bekannt war, dass die einjährige Sperrfrist für erneute Änderungen nicht für Minderjährige gelten wird.
Durch das Gesetz wird Geld gespart
Insbesondere die im März angekündigte Wartezeit von drei Monaten sowie eine angekündigte Klausel zum Hausrecht sorgte in den vergangenen Monaten für Diskussionen. Darunter fiel zum Beispiel der Zugang zu Frauensaunen und Umkleidekabinen. Diese Klausel hat nun in dieser Weise Eingang in den Gesetzentwurf gehalten: „Betreffend den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen bleiben das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers und das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, unberührt.“ Das heißt konkret: Eine befürchtete Ausweitung der Diskriminierung von trans, inter und nicht-binären Personen ist damit nicht gegeben.
Auch sieht der Entwurf eine Quotenregelung von Gremien und Organen vor: Sofern nichts anderes vereinbart ist, gilt die Eintragung des Geschlechts zum Zeitpunkt der Besetzung.
Das Selbstbestimmungsgesetz soll das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 ablösen, das im Glauben eingeführt wurde, dass trans Menschen „krank“ seien: Deshalb sind trans, inter und nicht-binäre Menschen zurzeit mit Gerichtsverfahren wie psychologischer Begutachtung konfrontiert, in denen sie teils demütigende Fragen zur Intimsphäre beantworten müssen, was mit dem künftigen Selbstbestimmungsgesetz nicht mehr der Fall sein wird.
Durch den Wegfall der Gutachten wie Verfahren sparen Bürger_innen laut Gesetzentwurf künftig 2.100 Stunden bei Finanzämtern sowie 3.736.000 Euro an Verfahrenskosten. Bei den Ländern werden künftig 185.000 Euro gespart und im richterlichen Bereich etwa eine halbe Million Euro. Mehrkosten entstehen keine.
Nachdem der Gesetzentwurf am Donnerstag der Koalition vorgelegt wurde, soll er nächste Woche an Verbände zur Kommentierung geschickt werden. Der Bundesverband Trans* äußerte sich am Donnerstagabend positiv über das Vorankommen der Bundesregierung: „Es ist ein sehr wichtiger Schritt, dass der Gesetzgebungsverfahren endlich in die nächste Phase geht und der Entwurf den Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt wird“, teilte der Verband mit.
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