Einfluss der Kirchen auf Medien: Keiner wagt den Konflikt
Die beiden Amtskirchen stärken ihren Einfluss in den öffentlich-rechtlichen Medien. Bei der Deutschen Welle und dem ZDF landeten sie zwei Coups.
Deutschlands Großkirchen haben zwei Coups bei öffentlich-rechtlichen Sendern gelandet. Unter dem Dach der Deutschen Welle besitzen die beiden Amtskirchen neuerdings ihren eigenen Internetauftritt. Die Rubrik „Deutschland“ des Auslandssenders bietet drei Optionen: „Deutschland verstehen“, „Deutschland entdecken“ und „Deutschland evangelisch-katholisch“. Die christlichen Seiten werden als sogenannte „Verkündigungsangebote“ allein von den Kirchen verantwortet.
Das Sonderrecht der beiden Amtskirchen, ihre Ansichten redaktionell unbearbeitet verkünden zu dürfen, wurde im Nachkriegswestdeutschland in die Staatsverträge der Rundfunkanstalten geschrieben. In einigen Sendern gibt es Kritik an dem Privileg angesichts einer zunehmend säkularen respektive religiös durchmischten Gesellschaft. Aber kein Medienpolitiker wagt den Konflikt mit den Kirchen. Der kirchliche Internetauftritt bei dem aus Bundesmitteln finanzierten Sender ist Resultat guten Einvernehmens auf höchster Ebene.
Intendant Peter Limbourg fungiert nebenbei als Berater der publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und ist Mitglied der Diözesanleitung der Malteser. Rundfunkratsvorsitzender und damit oberster DW-Kontrolleur ist seit 2014 Karl Jüsten. Der Prälat leitet im Hauptberuf das „katholische Büro“ in Berlin, das die Lobbyarbeit der römischen Kirche in der Hauptstadt organisiert. Die Kosten „für Konfektionierung und Pflege“ der Kirchenseiten betragen für die unter Sparzwängen leidende und von umstrittenen Programmreformen erschütterte Deutsche Welle nach Angaben eines Sprechers „ca. 10.000 Euro“.
Beim Zweiten Deutschen Fernsehen haben die Kirchen ihre Position im Fernsehrat ausgebaut. Im neuen ZDF-Staatsvertrag, der am 18. Juni im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz unterzeichnet werden soll, wird das Gewicht der Politiker im Aufsichtsgremium nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht vermindert. Der Fernsehrat hat in Zukunft 60 statt bisher 77 Mitglieder.
Keine Vertretung für Konfessionsfreie
Die beiden Kirchen entsenden unverändert je zwei, die ihnen verbundenen Sozialunternehmen Caritas und Diakonie je ein Mitglied. Damit steigt der Anteil kirchlicher ZDF-Kontrolleure auf zehn Prozent. Wie bisher gibt außerdem es ein jüdisches Mitglied, neu hinzu kommt ein muslimisches.
Nicht vertreten sind die Konfessionsfreien. Die haben zwar keine Kultstätten und Priester, mittlerweile aber einige Organisationen, die für die Sache der religiös nicht Gebundenen auftreten, darunter die „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“ (fowid). In deren Auftrag hat Emnid gerade bei einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, dass „60 Prozent der Deutschen einen größeren Einfluss der Religionen im ZDF-Fernsehrat ablehnen.“
Bei der ZDF-Pressestelle zeigt man sich sechs Wochen vor Vertragsunterzeichnung uninformiert über die künftige Zusammensetzung des Kontrollgremiums und verweist auf die rheinlandpfälzische Staatskanzlei als „Ansprechpartner für die Inhalte des neuen ZDF-Staatsvertrages“. Das mag überraschen, wollte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil den Einfluss der Politik aufs ZDF doch eigentlich eindämmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück