Ein Vorschlag für Griechenland: Schreckgespenst Solidarität

Der Ökonom Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung schlägt einen Griechen-Soli vor. Protest mit eingerechnet.

Hat da so eine Idee: Clemens Fuest, Chef des ZEW. Foto: dpa

BERLIN taz | Solidarität ist ein schönes Wort, das in Deutschland einen überwiegend positiven Klang hat. So war es ein geschickter Zug, als die Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl 1991 eine Steuererhöhung beschloss, die sie Solidaritätszuschlag nannte.

Diese Einnahmequelle, rät nun der einflussreiche Wirtschaftsforscher Clemens Fuest, könne man ausweiten, um mit Milliarden Euro Griechenland zu unterstützen. Auch das ist ein trickreicher Vorschlag: Er könnte das Gegenteil des Gesagten bewirken.

Gegenwärtig erheben die Finanzämter einen Zuschlag von 5,5 Prozent zur ohnehin zu zahlenden Steuer auf Einkommen, Kapitalerträge und Firmengewinne. Das brachte im vergangenen Jahr Einnahmen von rund 15 Milliarden Euro. Union und FDP hatten den Soli 1991 eingeführt, weil sie dringend Geld brauchten, um den zweiten Irakkrieg mitzufinanzieren, die deutsche Einheit zu bezahlen sowie ehemals sozialistische Staaten zu unterstützen.

Ökonom Fuest schlägt jetzt vor, den Soli vorübergehend auf 8 Prozent anzuheben. Sein Argument: Es handele sich um Augenwischerei, Griechenland weitere Kredite im Rahmen eines dritten Hilfsprogramms zu gewähren, weil das Land bereits überschuldet sei. Also gehe es eigentlich nicht um zusätzliche Kredite, sondern Transferzahlungen. Diese müssten dann aber korrekt im Bundeshaushalt erwirtschaftet und ausgewiesen werden. Eine Möglichkeit: mehr Steuereinnahmen, ein höherer Soli.

Der Soli soll eigentlich weg

Als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums weiß Fuest natürlich, was die Spitze der CDU/CSU tatsächlich mit dem Soli vorhat: Sie will ihn nach und nach abschaffen. CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer lehnen Steuererhöhungen außerdem ab.

Dafür, dass Fuest bei seinem Vorschlag um die Ecke denkt, sprechen weitere Punkte. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, das er leitet, positioniert sich eher wirtschaftsfreundlich. Beim Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München, in dessen Chefbüro Fuest 2016 wechselt, ist diese Orientierung noch stärker. Steuererhöhungen werden da selten gefordert.

Schon gar nicht für Griechenland. Auf die Frage „Soll Europa hart bleiben und notfalls den Austritt Griechenlands aus dem Euroraum riskieren?“ antwortete der Ökonom im vergangenen Januar: „Wenn die griechische Regierung so weitermacht, ist das unausweichlich.“ Fuest bringt Griechenland Skepsis entgegen, Großzügigkeit ist wenig auszumachen.

Seinen Soli-Vorschlag begründet der Ökonom damit, dass dieser ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber der deutschen Öffentlichkeit sei. Stimmt. Und möglicherweise wären dauerhafte Zahlungen der reichen an die ärmeren Eurostaaten wirklich ein Weg aus der Krise. Wenn Fuests Soli-Plan nicht auch diese Wirkung auslöste: Kopfschütteln in der Regierung, Wut am Stammtisch. Nach dem Motto: Nicht nur Kredite, sondern jetzt auch noch Steuern für Griechenland?

So verkehrt sich die Bedeutung des Wortes „Solidarität“ in ihr Gegenteil: Aus einem Begriff für Mitgefühl wird einer für Hartherzigkeit.

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