: Ein Pott Kaffee auf Station D
Winternotprogramm im ehemaligen Hafenkrankenhaus eröffnet. Für Anfang 1999 ist ein Bürgerbegehren für Stadtteilbetten geplant ■ Von Judith Weber
Nach Hause kommen wäre genauso. Verfroren schlendert Ja-nosch in die Küche. Ob es schon Kaffee gibt, will er wissen, und die Frau am Herd sagt ja, ganz heißen. Die Tasse nimmt Janosch mit in ein Zimmer am Ende des Ganges. Hier weihnachtet es leise, aber beharrlich. Akkurat geschnittener Stollen liegt neben schrumpeligen Äpfeln; eine Lichterkette beleuchtet das „Stan & Oli“-Poster an der Wand.
Schwer zu fassen, diese Idylle – zumal sie nur ein paar Stunden dauert. Von zwölf bis achtzehn Uhr wird die Station D des ehemaligen Hafenkrankenhauses künftig am Wochenende für obdachlose, „hungrige und frierende Menschen“ geöffnet sein. Janosch ist einer von ihnen. Die Intitiative „Ein Stadtteil steht auf“ will dieses Notprogramm auf St. Pauli durchziehen, bis es wärmer wird; die Hamburger Tafel wird Essen liefern. Am Wochenende lief die Aktion an.
Das schummrig beleuchtete Zimmer auf Station D ist schon nach wenigen Stunden voll. „Die meisten anderen Einrichtungen bleiben am Wochenende geschlossen“, sagt Günter Pingel von der Initiative. „Und bei uns sind die Räume sowieso geheizt. Da können wir sie auch mit anderen teilen.“ Im Stadtteil findet die Idee Anklang: Die Listen, in die sich Freiwillige eintragen können, füllen sich schnell.
In der Küche herrscht eine Ordnung wie zu Krankenhaus-Zeiten. Das liegt an Doris Kähler. Die Rentnerin aus Bergedorf hat in der Zeitung von der Aktion gelesen. Seit zwei Stunden versorgt sie nun die Ankommenden. „Ich habe mich schon für die nächsten Samstage eintragen lassen“, erklärt sie. Weil ihr „die Leute leidtun, die auf der Straße leben“, ist sie hier, und weil es „schließlich kein Problem“ ist, mal eben Kaffee zu machen und den Eintopf aufzukochen, den die Bavaria-Brauerei gespendet hat. Doch nicht allen Besuchern ist damit geholfen. Einen Mann schickten Hanisch und seine MitarbeiterInnen gleich rüber in die Notfallambulanz auf dem Klinik-Gelände. „Mittelohrentzündung“ konstatierte man dort und überwies den Mann ins AK St. Georg.
„Wenn wir hier Betten bekämen, wäre das viel einfacher“, ergreift Hanisch die Gelegenheit, auf das wichtigste Anliegen seiner Initiative hinzuweisen: 23 sogenannte Stadtteilbetten auf dem Gelände am Zirkusweg. Dafür will die Initiative Anfang kommenden Jahres ein Bürgerbegehren starten. Die rund 6500 notwendigen Unterschriften dafür zusammenzubekommen, dürfte „kein Problem sein“, hofft Hanisch. Doch was die BürgerInnen erreichen können, ist unklar. Schließlich scheitert die Finanzierung der Betten nicht am rot-grünen Hamburger Senat, sondern am Unwillen der Krankenkassen.
Darüber zürnen nicht nur die Ini-Mitglieder, sondern auch die Obdachlosen, die auf der Station D Kaffee trinken. Als das Krankenhaus noch eines war, erzählt Janosch, war er öfter dort. Mit Beinbrüchen und einer Lunge, die so entzündet war, daß die Schwester ihm das Rauchen verbot. Die war streng, sagt Janosch. „Richtig so!“ ruft eine Frau von der Initiative energisch. Sie hat früher im Hafenkrankenhaus gearbeitet. Jetzt verteilt sie auf ihrer ehemaligen Station Kaffee an die Obdachlosen.
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