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Ein Jahr Rot-Rot-Grün: der taz-Check (2)„Wir sind total zufrieden“

Elke Breitenbach hat ein Riesenressort: Die Linke-Politikerin ist für Integration, Arbeit und Soziales zuständig. Das macht sie ganz gut – findet etwa die Gewerkschaft.

Elke Breitenbach Foto: dpa

Sehr kritisch, meist sachlich und immer gut in der Materie – so kannte man Elke Breitenbach im Abgeordnetenhaus schon lange. Etwa, wenn die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion den unter Rot-Schwarz für die Unterbringung von Geflüchteten zuständigen CDU-Senator Mario Czaja angriff. Der hatte angesichts der hohen Flüchtlingszahlen während der vergangenen Legislaturperiode die Kontrolle über seine Behörden verloren.

Czaja wusste die Kompetenz seiner damaligen Widersacherin durchaus zu schätzen. Dass der CDU-Mann ein neues Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten einrichtete, ging auf einen Vorschlag Breitenbachs und ihrer Grünen-Kollegin Canan Bayram zurück. Letztere sitzt nun im Bundestag – Elke Breitenbach dagegen kann als Nachfolgerin Czajas ihre damaligen Kritikpunkte nun auf Praxistauglichkeit prüfen.

Das macht sie wohl ganz gut – schaut man sich etwa an, wie handzahm die Medien mit Breitenbach umgehen, die Czaja damals vor sich her trieben, im Verein mit den OppositionspolitikerInnen. Einer von ihnen, der frühere Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt, ist ebenfalls ganz zufrieden, sagte er der taz: „Der Unterschied von CDU zu linker Senatorin ist deutlich sichtbar. Die Themen Migration und Asyl werden mit mehr Energie angepackt, stehen weiter oben auf der Senatsagenda. Aber auch die Einstellung ist anders, den Menschen wird mehr zugehört.“

Auf der Habenseite steht vor allem: Lebten vor einem Jahr noch fast 18.000 Geflüchtete in Notunterkünften, sind es heute „nur“ noch 4.860 – und die meisten besonders prekären Unterkünfte konnten geschlossen werden. Damit wurde auch die Kritik von Flüchtlingsrat und Ehrenamtlichen leiser.

Verstummt ist sie aber nicht: Dass Breitenbach zulasse, dass einer der Hangars im früheren Flughafen Tempelhof weiterhin als Ankunftszentrum für Flüchtlinge benutzt wird, mache sie „politisch unglaubwürdig“, erklärte am Donnerstag Georg Classen, Sprecher des Flüchtlingsrats, anlässlich der angekündigten Schließung der Notunterkunft in der kommenden Woche. In dem „Sonderlager“ würden die Asylchancen von Geflüchteten durch ein dreitägiges Schnellverfahren „bewusst gemindert“.

"Ein Langstreckenlauf"

Jubiläum Die bundesweit erste rot-rot-grüne Landesregierung unter Führung der SPD ist seit dem 8. Dezember 2016 im Amt. Michael Müller, Regierender Bürgermeister (SPD), sowie seine Stellvertreter Klaus Lederer (Die Linke) und Ramona Pop (Grüne) zogen bereits Anfang der Woche auf einer Pressekonferenz eine positive Bilanz ihrer Arbeit.

Die Grünen-Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf zeigten sich im taz-Interview überzeugt, dass R2G ein Erfolg wird. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir in fünf Jahren sehr viel nach vorne gebracht haben werden", so Stahr. Manches brauche aber Zeit: "Das ist ein Langstreckenlauf, kein Sprint, und erst vor der Wahl wird abgerechnet."

Die FDP bleibt cool Die Oppositionspartei zieht erst am 8. Dezember R2G-Bilanz. (dpa)

Doch solche Kritik bleibt eher die Ausnahme. Auch in ihrem anderen Ressort Arbeit scheint Breitenbach ihre Sache nicht schlecht zu machen – findet zumindest die Gewerkschaft. Auf dem Linke-Parteitag voriges Wochenende lobte die Berliner DGB-Chefin Doro Zinke: „Wir sind total zufrieden damit, was ihr hier abgeliefert habt.“ In der eigenen Verwaltung hält man ebenfalls große Stücke auf Breitenbach.

Ein ganz anderes Arbeiten sei das, heißt es von dort, als unter SPD-Arbeitssenatorin Dilek Kolat: Papiere kämen sichtbar durchgearbeitet und mit kundigen Vermerken versehen von ihr in die vorlegenden Abteilungen zurück, sie suche das direkte Gespräch mit den Fachleuten in ihrer Verwaltung: „Die weiß, was sie tut“, sagt einer, der nicht genannt werden will.

Da wird ihr wohl manches nachgesehen. Dass auch die Linke es kritisiert hatte, als Dilek Kolat 2011 den Integrationsbeauftragten in der Verwaltungshierarchie herabstufte und damit einigen Einflusses beraubte, ist bislang kein Thema. Auch keins der neuen Integrationssenatorin Breitenbach, die das rückgängig machen könnte.

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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Das klingt nach Hofberichtserstattung der TAZ. Konkrete Beispiele für die angeblich positive Bilanz der Sozialsenatorin fehlen.

     

    Die Schließung der Notunterkünfte ist nicht ihr Verdienst. Sie ist Resultat der Abschottung der EU Außengrenzen, der unter r2g fortgesetzten Abschiebepolitik, und der zahlreichen "freiwilligen" Ausreisen angesichts der mehr als schäbigen Unterkünfte in Berlin. Alles kein positiver "Verdienst" der Sozialsenatorin.

     

    Unverändert umgesetzt hat sie CDU-Czajas Planungen für Modulbauten und Containerlager vorzugsweise am nordöstlichen Stadtrand. Das sind die sozialen Brennpunkte von morgen.

  • wie kann man "total zufrieden" sein wenn mit Rot-Rot-Grün nichts besser wird ? Gerade Berlin ist zur Hauptstadt des Verbrechens geworden ? 16 000 Straftaten pro 100 000 Einwohner ! 804 Straftaten täglich durch Flüchtlinge in Deutschland . Ja, die meisten davon werden aus den BKA Statistiken gelöscht ....weil es keiner hören will.

  • Woher kommt nur diese Zufriedeheit? Klar, gemessen an den Standards des Vorgängersenators mag das auf dem Papier alles ganz nett klingen. Das eigentliche Problem wird jedoch garnicht angefasst.

     

    Nach offiziellen Zahlen sind im Jahr 2015 ca. 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, wovon Berlin 80.000 aufgenommen hat. Der Verteilungsschlüssel (Königsteiner Schlüssel) sah für das Jahr 2015 eine Quote von ca. 5 Prozent vor. Das ergibt eine Differenz von 40.000 Flüchtlingen. Weder die Vorgängerregierung, noch der jetzige Senat drängt auf eine Umverteilung oder zumindest auf einen finanziellen Ausgleich. Brandenburg hat im gleichen Zeitraum weniger Flüchtlinge aufgenommen, als vorgesehen. Übrigens, angeblich fehlen in Berlin 40.000 Wohnungen! Bei einer ordnungsgemäßen Verteilung wären auch die Notunterkünfte längst Geschichte.

     

    Und dann sind da noch die EU-Ausländer ohne Aufenthaltsrecht.