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Ein Hauch von Bitternis

Malerei Die Künstlerinnen der frühen Moderne blieben oft länger vergessen als ihre Kollegen – die Ausstellung „Frauen der Secession“ in der Liebermann-Villa am Wannsee leistet da Abhilfe

von Katrin Bettina Müller

Der rote Fleck, der ihn umfängt, verleiht seiner bleichen Gestalt eine verborgene Leidenschaft. Schmal, streng, an sich haltend, die feingliedrigen Hände übereinandergeschlagen, die Lippen leicht skeptisch gespitzt und das Kinn vorgeschoben, so hat die Malerin Augusta von Zitzewitz 1930 Alfred Kerr porträtiert, einen berühmten Theaterkritiker und Journalisten der Zeit. So einer will nicht geliebt werden, eher zeigt er sich stolz in der Einsamkeit des genau Urteilenden. Zum Beispiel über den Sänger und Schauspieler Max Pallenberg, ein Star im Theater von Max Reinhardt. Den hat die Malerin Charlotte Berend-Corinth 1917 in der Rolle des Figaro gemalt: mit eisblauen Augen, die mit den blauen Bartschatten korrespondieren, ein Lebemann nach einer anstrengenden Nacht.

Die beiden ausdrucksstarken Porträts empfangen den Besucher der Liebermann-Villa am Wannsee in einer kleinen, aber feinen Ausstellung von vier Malerinnen, die in Berlin mit den Künstlervereinigungen Secession und Neue Secession ausgestellt haben, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das bedeutete damals Anerkennung und Aufnahme in einen Zirkel von Künstlern, die mit Blick nach Skandinavien und Frankreich auf neue Kunstformen zugingen. Mit den Porträts von Alfred Kerr und Max Pallenberg zeigen sich die Malerinnen Augusta von Zitzewitz und Charlotte Berend-Corinth auch auf Augenhöhe mit den intellektuellen Größen ihrer Zeit. Solche weibliche Selbstbehauptung war damals durchaus keine Selbstverständlichkeit.

Verblühte Rosen

Die Künstlerinnen waren herben gesellschaftlichen Widerständen ausgesetzt

Blumenstillleben! Ja, das galt als angemessenes Motiv für Künstlerinnen, die bis weit ins 20. Jahrhundert von der Ausbildung an Akademien ausgeschlossen waren, an privaten Schulen viel mehr als ihre männlichen Kollegen bezahlen mussten und gern in den dekorativen Bereich abgeschoben wurden. Ein Ausstellungsraum der Liebermann-Villa gilt denn auch den Blumen, einem leicht zugänglichen Motiv, an dem die Malerinnen nun ihr ganzes Können beweisen, den delikaten Umgang mit Farben, die Komposition, die Empfindsamkeit. Es sind verblühte Rosen, die Charlotte Behrend-Corinth, und welkende Chrysanthemen, die Julie Wolfthorn malt; ein Hauch von Bitternis umgibt ihre Vergänglichkeit, nichts trumpft hier auf. Ein Feldblumenstrauß von Maria Slavona wirkt da viel einladender.

Maria Slavona (1865–1931) wurde Ende ihres Lebens sehr geschätzt, sie hatte Einzelausstellungen in Zürich, Berlin und Lübeck. Unzufrieden mit den Ausbildungsmöglichkeiten für Künstlerinnen in Berlin und München, war sie 1890 nach Paris aufgebrochen und lebte dort 16 Jahre lang, studierte die Impressionisten und lernte als Autodidaktin. Eine kurze Zeit lebte sie zusammen mit zwei weiteren Künstlerinnen und zwei Künstlern ein „Experiment mit neuen Lebensformen“, ein Versuch in freier Liebe. Der hielt, bis der wohlhabendsten Teilnehmerin, der Diplomatentochter Rosa Pfäffinger, das Geld ausgegangen war. Zurück blieben die beiden Freundinnen Maria Slavon und Pfäffinger als alleinerziehende Mütter, die sich die Kinderversorgung und die Arbeit im Atelier aufteilten. Von dieser Lebensepisode, von diesem Bruch mit allen Konventionen wussten die späteren Verehrer der Malerin Slavona nichts. Verheiratet mit dem Schweizer Kunsthändler Otto Ackermann war ihr ein – gesellschaftlich anerkannter – Neustart gelungen, zuerst in Paris, später in Lübeck und Berlin.

Nachzulesen ist diese Geschichte in einem Katalog, „Die Malweiber von Paris – Deutsche Künstlerinnen im Aufbruch“, für eine Ausstellung in Neu-Ulm, die später nach Aschaffenburg und Jesteburg weiterwandert. In einem Kapitel skizziert Kathrin Umbach die gesellschaftlichen Widerstände gegen die Frau als Künstlerin. In einer Karikatur aus dem „Simplicissimus“ von 1901, süffisant von Bruno Paul gezeichnet, sagt ein Maler an der Staffelei zu seiner Schülerin: „Sehen Sie, Fräulein, es gibt zwei Arten von Malerinnen. Die einen wollen heiraten, und die anderen haben auch kein Talent.“ Der Feuilletonist Karl Scheffler, der 1908 über die „Frau in der Kunst“ schrieb, sah eine „Vergewaltigung ihrer Natur“ drohen, wenn sie dem männlichen Erkenntnistrieb folgten. Er gehörte dennoch zu den Bewunderern von Maria Slavona.

1987, das ist fast dreißig Jahre her, waren drei der jetzt ausgestellten Malerinnen Teil einer großen Ausstellung „Das verborgene Museum“ in der Akademie der Künste, die Künstlerinnen aus den Berliner Sammlungen, die oft vergessen worden waren, zusammenbrachte. Es hat nicht viele solcher großen Projekte auf den Spuren der Emanzipation von Künstlerinnen vom Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben; dennoch wurde seitdem das Wissen über ihre Biografien, die Hindernisse auf ihrem Weg und den Verbleib ihrer Werke erweitert.

Die Ausstellung „Frauen der Secession“ in der Liebermann-Villa erzählt auch eine jüdische Geschichte. Augusta von Zitzewitz, eine sehr selbstbewusst auftretende Dame, durfte im nationalsozialistischen Deutschland weder ausstellen noch malen. Sie war mit einem jüdischen Kunsthistoriker verheiratet und veröffentlichte in einer linksliberalen Zeitschrift. Julie Wolfthorn wurde 1942 als Jüdin nach Theresienstadt deportiert und dort umgebracht.

Von ihr zeigt die Ausstellung mehrere kleine Küstenlandschaften, die auf Hiddensee entstanden, wo sie mit dem Hiddenseer Künstlerinnenbund im Freien arbeitete. Es sind stille, unspektakuläre Winkel, voll gespeicherter Zeit, um den Wolken nachzublicken und dem Licht auf dem Wasser. Ganz andere Motive von ihr, etwa Nymphen im Wald oder das schöne Aktbild einer reifen Frau, die sich die Füße pflegt, sieht man nur in Reproduktionen. Sie waren abgebildet in der Herrenzeitschrift Der Junggeselle: „Donnerstags neu – Freitag vergriffen“ warb er auf jeder Seite und stellte Wolfthorns so warme, intime und großzügige Malerei in den Kontext erotischer Literatur. Dabei haben ihre Bilder nichts von der Schlüpfrigkeit der Geschichten. Man stellt sich vor, dass sie im Kampf um die Möglichkeiten, gesehen zu werden, eben auch zu Kompromissen bereit war.

„Frauen der Secession“ in der Liebermann-Villa, Colomierstr. 3, 14109 Berlin, tägl. außer Di. 11– 17 Uhr, bis 29. Februar

Am 20. 1., 19 Uhr, wird Augusta von Zitzewitz, „Grand Dame der Malerei“, mit einem Film vorgestellt; am 17. 2., 19 Uhr, gilt ein Bildvortrag von Angela Rapp dem Hiddenseer Künstlerinnenbund

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