piwik no script img

Eigentümer der Rigaer Straße 94Limitierte Handlungsfähigkeit

Nach dem Brexit ist die Eigentümerfirma des linken Hausprojekts womöglich nicht mehr rechtsfähig. Eine erneute Räumungsklage könnte scheitern.

Anarchie: auch auf Seiten der Eigentümer Foto: dpa

Berlin taz | In der schier endlosen Rechtsstreitigkeit zwischen der Eigentümerin der Rigaer Straße 94 und dem Verein Freunde der Kadterschmiede e. V., der eine Kneipe im Hinterhof des linksradikalen Projekts betreibt, geht es für die britische Briefkastenfirma Lafone Investments Limited ans Eingemachte. Im vergangenen Sommer hat sie zum wiederholten Male vor dem Landgericht eine Räumungsklage angestrengt, doch nun bestehen Zweifel daran, ob die 2014 gegründete Gesellschaft überhaupt noch rechtsfähig, also klagebefugt, ist. Der Grund hierfür: der Brexit.

In einem der taz vorliegenden Schreiben an das Gericht spricht Rigaer94-Anwalt Benjamin Hersch der Lafone ebendiese Rechtsfähigkeit ab, nennt sie „weder parteifähig, prozessfähig, noch aktivlegitimiert“. Bis zum Jahreswechsel waren in Deutschland tätige Unternehmen mit der Rechtsform einer englischen Limited ohne Einschränkungen anerkannt.

Akteure aus der Immobilienbranche oder Anwaltskanzleien nutzten die laxere Handhabung auf der Insel, um hiesige Standards wie die Forderung nach einem Mindestkapital zu umgehen. Doch seit dem EU-Austritt wird Großbritannien wie ein Drittstaat behandelt; dort registrierte, aber hier tätige Unternehmen unterliegen damit deutschem Gesellschaftsrecht.

Bei Hersch heißt es hierzu: „Die Klägerin entfaltet in Großbritannien keinerlei Geschäftstätigkeit und hat damit ihren Verwaltungssitz in Deutschland.“ Im Gespräch mit der taz führt er aus: „Die Lafone wurde nur errichtet, um das Haus Rigaer Straße 94 zu kaufen und zu verwalten.“ Einen anderen Verwaltungssitz müsste sie dem Gericht beweisen, doch das hält Hersch für ausgeschlossen.

Bei Recherchen am angeblichen Geschäftssitz im nordenglischen Durham fand sich noch nicht einmal ein Briefkasten der Lafone; auch die Gerichte hatten wiederholt Probleme, Post zuzustellen, und scheitern bis heute daran, Kosten für verlorene Prozesse einzutreiben. Die Firma hat keine Mitarbeiter, nur einen „director“, dessen ordnungsgemäße Bestellung bislang in keinem Verfahren bewiesen werden konnte. Ebenso scheiterte ihr Anwalt Markus Bernau wiederholt damit, nachzuweisen, ordnungsgemäß bevollmächtigt zu sein.

Umwandlung in deutsche Gesellschaft?

„Wenn es wirklich eine reine Briefkastengesellschaft ist, wäre es schwierig für sie“, sagt auch Wolf-Georg Ringe, Direktor des Instituts für Law & Economics der Universität Hamburg und Gastprofessor in Oxford auf Nachfrage der taz. Wird die Limited nicht mehr anerkannt, könne das Gericht sie „in eine deutsche Gesellschaft umqualifizieren“ – in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eine offene Handelsgesellschaft (OHG). Die Rechtsfähigkeit der Lafone wäre erhalten, so Ringe, mit dem Nachteil, dass die beschränkte Haftung für die Gesellschafter entfiele. Nötig für eine solche Umwandlung sind dabei mindestens zwei Gesellschafter.

Hier wird es für die Lafone erneut tricky. Zwar werden im Beschluss des Landgerichts vom 18. August 2020 zwei Gesellschafter genannt, dabei handelt es sich jedoch neben einer Privatperson, dem Ukrainer Mykola Kovall mit einem Anteil von 6 Prozent, um eine weitere Limited, die 94 Prozent der Anteile hält. Diese Coraline Limited hat denselben Geschäftssitz wie die Lafone und damit womöglich dieselben Probleme; auch ihre Geschäftsführerin hat das Landgericht als nicht ausreichend legitimiert betrachtet.

Hinter Coraline steht womöglich der wahre Eigentümer, der jedoch unter allen Umständen anonym bleiben will. Im September 2019 traf sich Innensenator Andreas Geisel (SPD) mit womöglich diesem Mann, der sich als Eigentümer vorstellte, seinen Namen aber nicht nennen wollte.

Wie das Landgericht nun mit alldem umgeht, ist ungewiss. Gibt es nur einen anerkannten Gesellschafter, funktioniert die Umwandlung in eine deutsche Gesellschaft nicht – „dann ist es vorbei mit dem Verfahren, dann gibt es keine rechtsfähige Klägerin“, sagt Anwalt Hersch. Es bliebe die Möglichkeit, dass der alleinige Gesellschafter als natürliche Person versucht sein Recht durchzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Beide Seiten lehnen offensichtlich die Auseinandersetzung mit offenem Visier ab.



    Beide Seiten verachten offenbar den Staat.

    Es ist traurig, dass sich besagter Staat leider nicht raushalten kann, weil sonst Dritte in Gefahr geraten.

  • Irgendjemand hat hier nicht zu Ende recherchiert und lediglich die schwache Argumentation der Beklagtenseite übernommen.

    Das am 24.12.2020 abgeschlossene Handelsabkommen sichert die Rechtsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaftsformen ab. Nach dessen Ratifizierung bleibt alles beim alten.

    • 0G
      01022 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Haben Sie das recherchiert, denn das Bundesjustizministerium sagt was ganz anderes als sie, Stand: 14. Januar 2021

      "Damit dürfte es seit dem 1. Januar 2021 für eine rechtliche Anerkennung dieser Gesellschaften [Ltd.&Co] in Deutschland keine rechtliche Grundlage mehr geben. Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem auf nach Drittstaatenrecht gegründeten Gesellschaften anwendbaren Recht dürften die betreffenden Gesellschaften nunmehr als eine der in Deutschland zur Verfügung stehenden Auffangrechtsformen behandelt werden, das heißt als offene Handelsgesellschaft (OHG) oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)." www.bmjv.de/DE/The...llschaft_node.html

  • Egal, wie - mgl.-weise sehr berechtigt - kritisch man zu dem unbek. Eigentümer steht, erwähnen sollte d. V. in dem Artikel, dass die Person in dem Fall des Outings um körperliche Unversehrtheit & Leben bangen muss. Der Link zum 2. TAZ Artikel schildert die körperliche Bedrohung durch rohe Gewalt. Dürfen "die Guten" den "Bösen" Böses antun? Es gilt in jeder Zivilisation das unaufgebbare Gewaltmonopol des Staates, dass - auch berechtigte Interessen - niemals mit physischer Gewalt u. Selbst- od Lynchjustiz direkt sondern, nachdem man zivilisatorisch die Keule, das blutige Faustrecht und die Vendetta hinter sich gelassen hat, immer nur auf dem Rechtsweg auszutragen sind. Warum ist die Justitia ist in allen Abbildungen stets blind dargestellt? Richten ohne Ansehen der Person. Und die Herrschaft des Rechts kann nie ganz deckungsgleich sein mit dem hohen Anspruch der Gerechtigkeit. Es geht auch nicht um das eigene Gefühl von Recht oder Unrecht. Wohin würden Gesellschaften geraten, die nach Ansehen der Person urteilen? Weder die moralisch Guten noch die Bedürftigen bekommen - leider - mehr Recht. Auch "nicht so angenehme Zeitgenossen" werden nur danach beurteilt, ob das Anliegen den Gesetzen, die sich die Gemeinschaft gegeben hat formal entspricht oder nicht. Wo landet ein Staat, wenn er zulässt, dass Menschen das Recht - auch wenn es aus ihrem eigenen sehr berechtigen Bedürfnis und subjektiven Rechtsempfinden entspringt - in die eigene Hand nehmen? Wie fühlt es sich an, wenn physische Dominanz auf der Strasse - nicht nur bei den Hells Angles oder Clans -- die Macht bekommt? Wen kriegt man in Berlin noch dazu, dringend benötigten Wohnraum neu zu bauen?

    • @Gegenrede:

      Sie scheinen hier ein Märchen zu erzählen. Tatsächlich hat Polizei und Innenpolitiker*innen einmal eine Räumung rechtswidrig gesichert, die dann abgebrochen wurde und beim zweiten Mal Zerstörung von Wohnungen und Räumungsversuche ebenfalls rechtswidrig abgesichert. Beide Male Handlanger für Privateigentümer*innen, beide Male Schläger gedeckt bzw. machen lassen. Beide Male Mieter*innen/Bewohner*innen ins Angesicht gespuckt. So sieht der "Rechtsstaat" aus. Ihre Märchenstunde können sie im Kindergarten abhalten, nicht im TAZ-Forum ...

    • 0G
      01022 (Profil gelöscht)
      @Gegenrede:

      "...unbek. Eigentümer steht, erwähnen sollte d. V. in dem Artikel, dass die Person in dem Fall des Outings um körperliche Unversehrtheit & Leben bangen muss."

      Nur weil jemand behauptet, der Eigentümer zu sein, ist diese Person noch lange nicht tatsächlich Eigentümer. Ein kleines Fitzelchen Beweis wär' nicht schlecht - so was hilft auch vor Gericht.

      Wenn's um viel Geld geht, ist Leichtgläubigkeit nicht ratsam.

    • @Gegenrede:

      Also um sein Leben muss der Eigentümer nicht bangen, die Behauptung ist vollkommen unbegründet. Aber hier kommt der Clou: der Eigentümer (oder die Eigentümerin) ist zweimal bei Gerichtsverhandlungen gescheitert, die Eigentümerschaft nachzuweisen bzw. den Bevollmächtigten mit rechtskräftigen Vollmachten auszustatten. Dazu hätte der oder die Eigentümerin sich lediglich dem Gericht outen müssen! Und dass ein Richter oder eine Richterin dann dem Eigentümer nach dem Leben trachten könnte, wollen sie ja nun nicht behaupten, oder? Dass das die Leute von der Rigaer94 tun würden ist schon ´ne absurde These. Ist aber nicht passiert. Warum? Es ist zwar nur eine Vermutung (aber eine nicht wirklich abwegige), aber der Grund dafür könnte sein, dass der oder die Eigentümerin triftige Gründe dafür hat - die Rechtsform "Limited" wird aus naheliegenden Gründen gern zur Geldwäsche (organisierte Kriminalität) und Steuerbetrug verwendet. Das sind ja enorm große Probleme auf dem Immobilienmarkt.



      Und naja, wenn jemand, der gerichtlich rechtliche Ansprüche geltend machen will, dem Gericht sagt: "Mein Name ist Hase"....und das mehrfach....dit funktioniert halt nicht.

    • @Gegenrede:

      "dass die Person in dem Fall des Outings um körperliche Unversehrtheit & Leben bangen muss"



      Tja, Augen auf bei der Immobilienwahl.



      "Dürfen "die Guten" den "Bösen" Böses antun?"



      Lässt sich in der Weltgeschichte leider nicht immer vermeiden.

    • 0G
      02881 (Profil gelöscht)
      @Gegenrede:

      "Wen kriegt man in Berlin noch dazu, dringend benötigten Wohnraum neu zu bauen?"

      Schwierig, denn weder Bauindustrie noch Planer sind bereit von teuren "Ausstattungsmerkmalen" beim Neubau abzuweichen. Da nach Aussage der Beteiligten (aus Gesprächen mit Architekten und Branchenvertretern) "der Markt das einfach verlangt". Neue Konzepte in der Stadtplanung, des Bauens und Wohnens haben es da, gerade in Berlin mit ihrer seit Jahrzehnten, ich nenn's mal "einflußreichen" Bauindustrie extrem schwer.

      • @02881 (Profil gelöscht):

        Ja! Ein befreundeter Architekt, der für eine Baufirma Mehrfamilienhäuser umsetzt sagt, sie würden mit s. viel Know-How & Erfahrung intern für rund 2,5T€ /qm reine Bauerstellungs-/ Herstellungskosten kalkulieren können, dem Kunden kostet es dann rund 4,8 T€/qm. Will sagen: Wenn man clevere Leute ran lässt, geht es bezahlbar Wohnraum zu errichten u. ein Anteil davon mit verbindlicher Sozialbindung würde Kostendeckung u. e. Teil Mieten für soz. Schwächere problemlos in Einklang bringen. Firmen gibt es nur, weil sie irgendwie etwas Geld verdienen wollen, und Häuser, weil jemand langfristig e. gute Investition machen u. Mieteinnahmen möchte. Wer dafür aus ideologischen Gründen angefeindet wird, baut woanders u. uns fehlen auf absehbare Zeit zehntausende Wohnungen.

        • 9G
          90564 (Profil gelöscht)
          @Gegenrede:

          und genau darum sind genossenschaften so ne tolle idee, weil es denen nicht um GEWINNE, also profite für andere, geht, sondern um kostendeckende wohnraumversorgung.



          ps zu dem staatlichen gewaltmonopol gehört halt eben auch, dass sich hausbesitzer!nnen und die judikative und die exekutive an geltendes recht halten müssen, rechtsstaat und so, auch wenns hausbestitzer!nnen und der berliner polizei häugig nicht so ganz in den kram passt ;)

          • 0G
            02881 (Profil gelöscht)
            @90564 (Profil gelöscht):

            Ja, ich wäre in Berlin (in S- und U-Bahn-Erreichbarkeit) auch für eine ausschließliche Bauoption für Genossenschaften - solange bis sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt wieder entspannt (also so in 25 Jahren).

            Bauträger und Luxuinvestoren dürfen sich dann für ihre SUV-Klientel am Stadtrand verwirklichen.

  • Soviel zum armen Lieschen Müller, das die Rente mit ein paar Krümel aus den Mieteinnahmen aufbessert.

  • Und wieder ruft Kasperle (heute mal im Kostüm einer Justitia) laut:



    Tri tra trullala.