Ehrung für Michel Foucault: Philosoph an der Alster
1959/60 lebte der spätere Archäologe von Sex und Wissen in Hamburg. Daran soll ab dieser Woche eine Gedenktafel erinnern.
taz |
Den 1984 Verstorbenen kennen heute vermutlich mehr Menschen denn je. Denn so lange es etwa bei den örtlichen, den Hamburger Uni-Philosophen gedauert hat, bis sie seine Bücher in ihre Regale ließen: Irgendwann, da war er lange tot, war es dann doch so weit (und wer sich vorher behelfen musste, der ging zu Literatur- oder Erziehungswissenschaften: Die haben sich längst nicht so angestellt).
Relativer Ruhm
Andererseits beschränkt sich dieser relative Ruhm wohl auf die Akademie und die sie Durchlaufenden – selbst beim Delmenhorster Popstar (ohne Klammer) Sarah Connor stehen ja ein paar einschlägige Vorlesungen dahinter, wenn sie, im Gespräch mit der taz, Foucault als quasi kanonisierten Philosophen nennt.
Gedenktafeleinweihung: Mi, 12. Juni 2019, 14 Uhr, vor dem Französischen Konsulat Hamburg, Heimhuderstraße 5.5
Rainer Nicolaysen (Uni HamburgH) wird aus dem Leben Michel Foucaults in Hamburg berichten.
Philosophie führte ihn 1959 auch nach Hamburg; ein Buch über Immanuel Kant entstand dort. Nebenher war Foucault Chef des örtlichen französischen Kulturinstituts, zuvor hatte er solchen Häusern schon länger im schwedischen Uppsala sowie kurz in Warschau vorgestanden. Noch wichtiger war aber wohl das andere Buch, an dem er an der Alster arbeitete: „Folie et déraison“, 1969 auch auf Deutsch erschienen: „Wahnsinn und Gesellschaft“.
Nun also bekommt er eine Gedenktafel, dieser große, nie unumstrittene Sohn der französischen Geistesnation (und Elitebildungsstätten): Mittwochnachmittag wird enthüllt, am französischen Konsulat, durch Generalkonsul Laurent Toulouse und im Beisein von Botschafterin Anne-Marie Descôtes (und Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, SPD, ist auch da).
Nie nur bloßer Geist
Und so sehr es Foucault, seinem Schreiben nach, darum ging, als Schreibender irgendwie verschwinden zu können hinterm Text, so sehr fasziniert, dass da einer sehr wohl einen Körper hatte, nie bloß Geist war oder sein wollte; dass er schwul war und über so etwas wie Sadomasochismus nicht nur nachdachte.
„In Hamburgs Kultur-, Wissenschafts- und Schwulengeschichte“, schrieb 2016 bereits der örtliche Historiker Rainer Nicolaysen, habe der Aufenthalt „keinen Niederschlag gefunden“. Er spricht nun am Mittwoch auch über des Philosophen kurzes Hamburger Leben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands