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Editorial von Sven Hansen und Felix LeeDas hässliche Großereignis

Die am Freitag in Peking beginnenden Olympischen Winterspiele zählen zu den umstrittensten Großereignissen der jüngeren Sportgeschichte. China war 2008, als die gleiche Stadt die Sommerspiele ausrichtete, zwar auch ein autoritäres Land. Doch 2008 gab es noch die Hoffnung, dass die Spiele zur Öffnung und Liberalisierung Chinas beitragen könnten. Einige Verbesserungen gab es auch. Davon ist jetzt nichts mehr übrig.

Im Gegenteil, Chinas Führung hat seitdem die Spielräume der Zivilgesellschaft stark eingeengt, die elektronische Überwachung perfektioniert, die völkerrechtlich vereinbarte Autonomie Hongkongs ausgehebelt und droht Taiwan mit militärischer Gewalt. Was diese Spiele aber vor allem so hässlich macht: Während das olympische Feuer feierlich entzündet wird, hält das Regime in der Provinz Xinjiang wahrscheinlich noch Zehntausende Uiguren in „Umerziehungslagern“ gefangen. Von Zwangsarbeit über Zwangssterilisationen bis hin zu Folterungen berichten Opfer. Einige Länder sprechen bereits von einem kulturellen Genozid, den Chinas Führung an den dortigen Muslimen begeht. Für die Spiele hat Peking keine Kosten gescheut, um sie in eine Riesenpropandashow zu verwandeln. Kri­ti­ke­r:in­nen der Spiele in Peking wie auch den westlichen Regierungen, die sie diplomatisch boykottieren, wirft Chinas Regierung vor, Olympia zu politisieren.

Dabei ist und war Olympia, egal wo, stets hochpolitisch. Peking hat nicht nur Spiele früher selbst boykottiert, auch jetzt nutzt es sie nach innen und außen für nationalistische Botschaften. Wenn etwa ein chinesischer Offizier, der bei einem tödlichen Grenzscharmützel mit Indien verletzt wurde, als Fackelläufer ausgewählt wurde, ist das eine andere Botschaft als bei einer Sportlerin. Und das selbstherrliche IOC mit seinem Chef Thomas Bach, das stets seine angebliche Neutralität betont, zeigt, dass es sich mehr denn je von einem äußerst brutalen Regime einspannen lässt. Hatte es 2008 noch halbherzig auf Pressefreiheit gedrängt, hat es politisch längst kapituliert und schweigt zu Pekings Verbrechen in Xinjiang.

Gerade auch wegen der berechtigten Kritik an den Spielen hat sich die taz gegen einen publizistischen Boykott entschieden. Mit zwei Berichterstattern in Peking sowie einem Team in Berlin wollen wir die Politik hinter der Show sowie Widersprüche und Interessen aufzeigen, Opfer zu Wort kommen lassen, aber auch Sport­le­r*in­nen mit ihren Siegen und Niederlagen würdigen. Wir sehen die olympische Aufmerksamkeit als Chance, über Menschenrechtsverletzungen, Expansionismus und Autokratie dieser chinesischen Führung zu berichten.

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