Edeka will Kaiser's übernehmen: „Die Fusion gefährdet Jobs“
Wenn Gabriel mit seiner Ministererlaubnis durchkommt, leiden Verkäufer, Verbraucher und Bauern, sagt der Ex-Chef der Monopolkommission.
taz: Herr Zimmer, die Grünen im Bundestag wollen im Wirtschaftsausschuss Sigmar Gabriel zur geplanten Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka befragen. Die Monopolkommission hat unter Ihrer Leitung vor dem Deal gewarnt. Hat schon einmal ein Wirtschaftsminister eine Fusion gegen den Rat der Kommission erlaubt?
Daniel Zimmer: 2002 genehmigte der damalige Minister die Fusion Eon/Ruhrgas gegen das ausdrückliche Votum der Kommission. Dadurch kam es zu einer starken Marktkonzentration auf den Energiemärkten. Deshalb mussten Verbraucher mehr zahlen als nötig.
Gabriel erklärt, mit der Erlaubnis sichere er Tausende Arbeitsplätze. Sehen Sie das anders?
Durch die Fusion entstehen langfristig Anreize, Filialen zu schließen und damit doch Arbeitsplätze abzubauen. Wenn man direkt nebeneinander zwei Geschäfte hat, ist es betriebswirtschaftlich oft lohnend, auf eines zu verzichten und Arbeitskosten einzusparen. Jetzt soll ausgerechnet das Unternehmen, das die meisten Überschneidungen mit Kaiser’s Tengelmann hat, diese Firma schlucken. Das betrifft die drei Regionen, in denen sie stark ist: Berlin, München, Nordrhein.
Ist die Ministererlaubnis eine Chance, mehr Beschäftigte in Tarifbindung zu bringen?
Ja, denn der Minister hat die Erlaubnis unter anderem an die Bedingung geknüpft, dass die übernommenen Filialen Tarifverträge bekommen.
Was nützt das, wenn die Arbeitsplätze langfristig wegen der Überschneidungen wegrationalisiert werden?
Nichts. Es gibt zwar eine Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter der übernommenen Filialen, aber eben nicht für die Mitarbeiter von Edeka. Es könnte also sein, dass das fusionierte Unternehmen Doppelstrukturen abbaut, indem es Edeka-Angestellte entlässt. Die Beschäftigungsgarantien gelten auch nur befristet.
Tengelmann macht Verluste. Werden ohne die Fusion nicht sowieso Filialen geschlossen?
Das ist ein Drohszenario, um die Erlaubnis zu bekommen. Ein rational handelnder Unternehmer wird sich anders verhalten. Bevor die Kaiser’s-Tengelmann-Eigentümerfamilie die ganze Kette schließt, wird sie das Filialnetz möglicherweise in verschiedenen Teilen an mehrere Interessenten veräußern. Es gibt auch Interessenten für alle Berliner, für alle Münchner und auch für andere Filialen. Viele Filialen sind durchaus profitabel.
Was bedeutet die Fusion für Zulieferer wie die unter einem Preisverfall leidenden Bauern?
Es gibt zahlreiche Lebensmittelanbieter, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, die auf einen Absatz in ihrer Region angewiesen sind. Sie haben nur wenige Unternehmen, an die sie liefern könnten. Da bedeutet ein Zusammengehen zweier möglicher Abnehmer durchaus, dass die Bauern noch stärker unter Preisdruck geraten können.
Und für die Verbraucher?
Steigende Preise. Kaiser's Tengelmann hat zwar bundesweit einen geringen Marktanteil. Aber Brot, Südfrüchte, Konserven kaufen die Menschen nicht in entfernten Gebieten, sondern im Einzugsbereich ihrer Wohnung oder ihres Arbeitsplatzes. Die relevanten Märkte sind also sehr klein. In genau diesen Bereichen hat Kaiser’s keinen kleinen Marktanteil, sondern ist oft ein bedeutender Player. Da geht der Marktanteil in zahlreichen Gebieten schon auf etwa 20 Prozent, die zu den Marktanteilen von Edeka hinzukommen.
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