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Edathy-LKWs auf der StaßeDer rollende Pranger

Ein Unternehmen hetzt auf zwei seiner LKW gegen die Einstellung des Edathy-Verfahrens. Lob kommt von allen Seiten. Zu Unrecht.

Sebastian Edathy vor dem Landgericht Verden. Bild: dpa

BERLIN taz | Fröhliche Schweine, die für schlechtes Fleisch werben, sind auf LKWs keine Seltenheit. Halbnackte Frauen auch nicht. Die Spedition und Baustofffirma Stegemöller aus dem nordrhein-westfälischen Kamen verzichtet bei zwei ihrer Wagen nun auf Werbung und sendet stattdessen politische Botschaften.

„Da kann #E...y ja froh sein, dass er nur Kinderpornos heruntergeladen hat und keine Musik. Sonst hätten sie ihn ja richtig drangekriegt!“ In großen roten Buchstaben dahinter: „Schämt euch was“. Ein zweiter Spruch lautet: „Kinderpornodownload: 5000,– …Opfer haben Lebenslänglich“. Zu sehen sind die Botschaften seit Montag auf zwei LKW-Aufliegern meist auf den Strecken zwischen Sauerland und Niederrhein.

Die Geschäftsführerin Nadine Stegemöller sagte der Dortmunder Zeitung Ruhr Nachrichten, es gebe zu der Aktion bisher „durchweg positive Reaktionen“ und erklärt weiter, die Firma habe schon lange etwas gegen Kinderpornografie machen wollen, und nun sei die Zeit dafür gewesen. Vater Rudi Stegemöller räumt ein, sie seien ja keine Richter, wollten die Gesellschaft aber wachrütteln.

Die Bild–Zeitung schreibt von einer „Kampfansage“ und einem „ehrlichen“ Protest. Einzige Kritik, die an das Unternehmen herangetragen wird, ist der Vorwurf der Werbung. Die Stegemöllers argumentieren mit ihrem langjährigen Engagement. Tatsächlich wurden ihre Fahrzeuge schon oft mit gesellschaftlichen Statements bestückt. In diesem Fall aber richtet es sich gegen eine Person.

Unterdessen findet eine //www.openpetition.de/petition/online/widerspruch-gegen-die-einstellung-des-verfahrens-edathy:Onlinepetition gegen das Edathy-Urteil 200.000 Unterzeichner. Wer bei Google „Edathy“ und ein „K“ eingibt, bekommt den Vorschlag „Edathy kastrieren“ angezeigt. In den Sozialen Medien kursieren Morddrohungen, Aufrufe zu Selbstjustiz, unpassende Vergleiche zwischen Edathy und Marco Reus. Der BVB-Spieler musste wegen Fahrens ohne Führerschein 540.000 Euro zahlen, Sebastian Edathy dagegen nur 5.000 für das Herunterladen von Kinderpornografie. Die juristischen Argumente hinter diesen Entscheidungen spielen bei vielen Diskussionen kaum eine Rolle.

Die Kamener Stegemöllers zeigen sich derweil „geplättet“ von den zahlreichen positiven Reaktionen. Die Bilder der LKW-Auflieger wurden in den Online-Netzwerken knapp 100.000 mal geteilt, rund 75.000 Daumen gehen nach oben. Übersehen wird jedoch, dass hier jemand, der nach deutschem Rechtsverständnis als straffrei gilt, an den Pranger gestellt wird. An einen rollenden Pranger, den täglich viele Menschen sehen werden. Das Unternehmen lässt Edathy damit keine Chance, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden.

Das Herumfahren von Edathy-Schmähungen hilft dem Kinderschutz zudem wenig. Stattdessen werden die Rufe nach Lynchjustiz und einer vorschnellen Verurteilung von Pädophilen lauter. Edathys Gegner haben nicht verstanden, dass das strafbare und unmoralische Verhalten eines Mannes nicht die eigene Unmoral rechtfertigt. Der Anstand, der Edathy von vielen Seiten abgesprochen wird, hat auch bei seinen selbsternannten Feinden keinen Platz.

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31 Kommentare

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  • Da können ja "Lkw-Unternehmer" echt froh sein, dass Saudi-Arabien trotz milden "Protestes" gegen die Foltermethoden gegenüber Raif Badawi und anderen "Oppositionellen" nicht böse wird und diese Unternehmen an den Zapfsäulen weiterhin mit "unserem billigen Öl" saudische "Koranschulen" mifinanzieren können.

    Sonst müßte ja die Firma weiter erklären, sie habe schon lange etwas gegen Menschenrechtsverletzungen und "Islamismus" machen wollen, nur sei die Zeit dafür nie reif gewesen, aber den ersten Stein könne man ja schon mal werfen.

  • Wie viele von denen, die jetzt Herrn Edathys mutmaßliches und tatsächliches Fehlverhalten öffentlich anprangern (was ich in vielen Fällen nachvollziehen kann) oder die ihren Hassgefühlen freien Lauf lassen (was ich absolut inakzeptabel finde) - wie viele von denen schicken ihre Kinder eigentlich weiterhin bedenkenlos und unkommentiert in kirchliche KiTas, Schulen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen?

  • Baustofffirma Stegemöller macht Geld mit Kinderpornoskandal — das wär doch mal eine BILD Headline.

  • Im Impressum der Kamener Baustoffe Stegemöller steht weiterhin Anette und nicht Nadine Stegemöller als alleinige Geschäftsführerin. Zufällig die, die durch den "Ehrenmord" an Sylvester 2006 betroffen wurde? Ich sehe jedenfalls keinen Unterschied zu den oft von rechter Seite gegründeten "Todesstrafe für Kinderschänder"-Gruppen auf Facebook. Achja, läuft eigentlich der NSU-Prozess noch?

  • Edathy auf LKWs anzuprangern stoppt leidet nicht die Produzenten von Bildern mit zur Schau gestellten Kindern.

    Seine Karriere kann er wohl vergessen

    Auch wenn Edathy eine unangenehme Erscheinung ist, ist diese Art des Umgangs unangemessen und nicht hilfreich.

  • der "Pranger" hat in Deutschland Tradition.

  • Zynischer kann man sein Unternehmen nicht mehr bewerben. Edathy lädt Kinderpornos runter und als ob das nicht schon schäbig genug wäre, schlägt eine Spedition auch noch Kapital daraus.

  • Korrekte und ehrliche Beamte sind das Rückgrat eines Rechtsstaats. Gerade von denen muss man verlangen das sie sich an die Vorschriften und geltende Gesetze halten.

    Wenn alles sauber gelaufen wäre, hätten die betroffenen Person erst dann gewusst das gegen sie ermittelt wird, wenn die Kripo an Morgen mit dem Hausdurchsuchungsbefehl klingelt.

     

    Ich denke bei diesen ganzen Ermittlungspannen, wäre ein Urteil in der nächsten Instanz wieder einkassiert worden. Wenn mal auf die Formulierung achtet, die das Gericht bisher nicht widersprochen hat, war da nun noch nichts bewiesen. "ich räume ein ... die die Staatsanwaltschaft als kinderpornographisch einstuft". Damit sagt er nur dass die Staatsanwaltschaft das so sieht. Nicht mehr.

     

    Der Untersuchungsausschuss ist viel interessanter als der Prozess. Hier könnte evtl. genau herauskommen wo der Verrat seinen Anfang genommen hat. Irgendein Beamter hat einen aus dem Umfeld von Edathy, hat ihm oder einen Freund ja was gesteckt. Wahrscheinlich von Parteikollege zu Parteikollege. Wie dass so ist mit verraten Geheimnissen, dann wissen es am Ende viel mehr, was auch eher unwichtig ist. Die Quelle ist wichtig.

    Denn das ist ein Musterbeispiel dafür wie es nicht laufen darf.

    Auf diese Person sollte man wütend sein, nicht auf das Gericht oder Edathy.

     

    Denn Edathy hat nur das gemacht, was jeder andere Angeklagte auch tun würde und auch darf, sich nicht selber zu belasten.

  • "Das Volk" , Saubermänner , NPD Glatzen , BLÖD-Blockwarte , Pegida-Dumpfbacken .

    Wehe , wenn sie losgelassen !

  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    Angeblich rissen sich die Fahrer darum, diese Wagen zu fahren - das hätten die im Knast auch gemacht, es sind Knastregeln, die der Spediteur da auf die Straße bringt, wer was mit Kindern hat, bekommt s im Knast so ab in der Richtung, daher sehr zweifelhafter Spediteur und nicht nur der, die ganzen likes dazu, sicher mit ganz viel Moral, und ganz wenig Ethik. No business ethics, no ethical infrastructure, das hat was von der Nähe zu Halunken und Doppelmoral, es gibt Doppelmoral, aber keine Doppelethik.

     

    Edathy kann m. E. Strafanzeige erstatten.

     

    Es kann auch nicht sein, dass straighte Langweile die Welt rulen.

     

    "Edathy s" Sachen müssen anders gelöst werden inkl. tabufreier Sexualerziehung an Schulen inkl. derjenigen, die schon merken, dass sie zu Kids neigen und das ist angeboren, es heißt nicht, dass das Vergewaltiger etc. sind oder werden, denn die kommen bei kids oft aus der eigenen so straighten Familie schon rein statistisch.

     

    Insofern ist die Aktion des Unternehmers und der Kleinfahrtenfahrer (Trucker sind was andres) eine Verdeckung, die fehl lenkt und Aufmerksamkeit ablenkt.

  • 3G
    3618 (Profil gelöscht)

    Es wird widerlich und faschistoid, wenn die Meute losgelassen wird.

    • @3618 (Profil gelöscht):

      Wie ihr Fazit wohl klingen würde wenn es um irgendwelche Privatkredite oder Zockermillionen gehen würde.

      (Wer nicht kapiert - Wulff, Hoeneß)

       

      Irgendwie wird da aus der widerlichen, faschistoiden Meute ein gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit kämpfendes Suverän.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Danke, Thomas_Ba, Sie zeigen da was auf.

         

        Ich weiss jetzt auch langsam, was die Rechtspopulisten meinen, wenn sie der Linken "Meinungsfaschismus" vorwerfen: "Meine Meinung ist derart korrekt, dass ich dafür auch Gewalt anwenden kann (z.B. "gegen rechts"). Hingegen eure Meinung ist so falsch, dass ihr sie nicht mal friedlich oder mit Plakaten äussern dürft, da ihr dumm seid und wir gebildet."

         

        Linke in ihrem Übermut müssen schon aufpassen, dass sie mit so rigoros-segretativem Schwarzweiss-Denken nicht den neuen Faschismus einläuten.

        • @Lotrone Luca:

          Vor allen Dingen müssen Menschen wie Sie aufpassen, die immer genau wissen, wer und was links und rechts ist.

           

          Da sind Sie nämlich offenbar keinen Deut anders wie die, die Sie anprangern.

           

          Ist schon traurig, dass die meisten Menschen ihre Identität nur noch durch die (manchmal nur imaginär vorhandene) Abgrenzung zu anderen finden.

  • "Niemand hat Herrn Edathy auch darum gebeten, sich für die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung einzusetzen"...?

     

    Ich denk er war im NSU-Untersuchungsausschuss??

    • @Ute Krakowski:

      Wo ist da der Widerspruch bzw. wieso sollte das eine das andere ausschließen?

  • Kinderpornographie zu konsumieren ist in unserer Gesellschaft ein Strafbestand, allerdings ist im Fall Edathy m.A. nach unklar geblieben, was er "konsumiert" hat und ob das, was er konsumiert hat, tatsächlich kinderpornographisches Material war. Das, was die Firma Stegemöllier betreibt, nennt man jedenfalls Hexenjagd. Es ist auch typisch für die heuchlerische Doppelmoral. Geht es dieser Firma wirklich um die Kinder? Wenn ja, dann frage ich mich, warum protestiert die Firma Stegemöller nicht gegen den täglichen in vielen "anständigen" deutschen Familien stattfindenden Kindesmissbrauch sowie gegen die alltägliche Gewalt und Vernachlässigung von Kindern?

    • @Meckerliese:

      Ich kann mir bei ca. 30000 verunglückten Kindern jährlich im Verkehr, davon ungefähr 150 tödlich, eigentlich nicht vorstellen, dass eine Spedition nicht andere Möglichkeiten hätte, das Kindeswohl zu berücksichtigen, z.B. durch Eintreten für strengere Regeln im Straßenverkehr.

  • Das soll ein von der Meinungsfreiheit geschützter öffentlicher Beitrag sein, den das Speditionsunternehmen durch's Land fährt ?

    Bestimmt nicht.

    Eher wohl die Selbstdarstellung von selbsteingeschätzten 'Saubermännern'.

    Und haben meistens selbst genug Dreck am Stecken und noch froh, nicht erkannt zu sein.

  • Niemand hat Herrn Edathy gebeten, sich mit bestimmten in der Öffentlichkeit schlecht angesehen Neigungen, gerade in diese zu begeben und im Laufe der Jahre mehrere Mio Euro zu verdienen, mit denen er jetzt ja auch Werbung machen könnte.

     

    Niemand hat Herrn Edathy auch darum gebeten, sich für die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung einzusetzen anstatt eine Kampagne zu starten, die Menschen mit adoleszentophilen oder pädophilen Neigungen Verständnis entgegenzubringen.

     

    Die Reaktion ist eine öffentliche Meinungsäußerung, die nicht nur legal, sondern auch vollkommen legitim ist.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Mit welchen "Neigungen" hat er denn Millionen verdient?

      • @889 (Profil gelöscht):

        Wo habe ich geschrieben, dass er mit evtl. pädophilen oder adoleszentophilen Neigungen Mio. verdient hat?

         

        Ich schrieb:

        Er hat sich in die Öffentlichkeit begeben (als Mitglied des deutschen Bundestages) und hat mit diesem Job in seinen 16 Jahren Parlamentsangehörigkeit insgesamt ca. 1,5 Mio € brutto verdient ohne Aufwandspauschalen.

        Ich halte dies für ausreichend Geld, um damit Öffentlichkeit zu erzeugen für Menschen, die wie er evtl. pädophile oder adoleszentophile Neigungen haben könnten, damit ggf. in der Öffentlichkeit eine Debatte in Gang kommt, die solche Kampagnen gegen diese Menschen vielleicht verhindern würden.

        Stattdessen hat er lieber die Vorratsdatenspeicherung durchgesetzt.

        • 8G
          889 (Profil gelöscht)
          @Age Krüger:

          Okay, so ist es klar. Den ersten Satz deines ursprünglichen Postings hatte ich missverstanden.

      • @889 (Profil gelöscht):

        Das würde mich allerdings auch interessieren!

  • "Übersehen wird jedoch, dass hier jemand, der nach deutschem Rechtsverständnis als straffrei gilt, an den Pranger gestellt wird."

     

    Man sollte Recht und Gerechtigkeit nicht miteinander verwechseln, gerade von der TAZ hätte ich das erwartet. Christian Wulff wurde - obwohl straffrei geblieben - ebenfalls öffentlich an den Pranger gestellt.

    Die Entschuldigung der TAZ für das Anprangern seines Verhaltens habe ich irgendwie überlesen, könnten Sie das noch einmal verlinken?

  • Auch Unternehmer haben ein Recht auf Meinungsfreiheit. Anders als im Artikel in der taz hier wird der Name von E..y bei den Lkw-Parolen nicht ausgeschrieben. Wer "lässt Edathy damit keine Chance, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden" ?

    Und es werden bei den Lkw-Parolen auch nichts anderes getan, als die Höhe der "Strafe" von 5000 Euro zu kritisieren. Das zu kritisieren, ist aber nicht verwerflich, auch wenn man (wie ich es im Gegensatz zu diesem Unternehmen tue) die Ansicht vertreten kann, daß Edathy

    durch den öffentlichen Skandal, und dem damit verbundenen Ende seiner Politikerkarriere schon reichlich gestraft ist.

    • @stadtlandmensch:

      @ Stadtlandmensch

      oh mann, das ist ja fast wie bei Life of Brian, evtl. haben die auch noch geraucht?? Werft den Purchen zu Poden... ;-)

  • Sicher eine lohnende Werbeaktion für das Unternehmen!

    • @Ute Krakowski:

      So isses ! Wer privates mit geschäftlichem Engagement vermischt, ist darin absolut verdächtig. Mein Favorit in genannter Verquickung als Firmenautoaufschrift: "Wir fliesen Ihr Bad und kacheln Ihre Alte"

  • Spätestens wenn die BILD etwas gut findet sollte man skeptisch werden.