piwik no script img

EU kooperiert mit afrikanischen RegimesEuropa schafft sich ab

Um die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, kooperiert die EU auch mit Afrikas Diktatoren. Die EU-Politiker wissen selbst, wie verachtenswert das ist.

Es ist für Afrikaner schwer geworden, Asyl zu beantragen: Flüchtlinge aus Afghanistan, Sudan und Eritrea campen an einer Pariser Metrostation Foto: dpa

Was macht man als den „europäischen Werten“ verpflichteter Politiker, der sich sorgt, dass dieses Jahr wieder einmal zu Tausenden afrikanische Flüchtlinge auf dem Weg von Libyen nach Europa im Mittelmeer ertrinken könnten? Genau: Man hilft den Regimen, vor denen die Flüchtlinge auf der Flucht sind. Zum wiederholten Male berichtet das ARD-TV-Magazin „Monitor“ über das skandalöse Ausmaß der Kumpanei zwischen der Europäischen Union und den Regierungen von Sudan, Äthiopien, Eritrea und Somalia bei der Flüchtlingsabwehr.

Im Juli 2015 hatte die WDR-Sendung bereits aufgedeckt, dass die EU den Regierungen dieser Länder Unterstützung beim Kampf gegen „Fluchthelfer“ sowie beim „Grenzmanagement“ anbietet, damit Flüchtlinge gar nicht erst das Land verlassen. Neun Monate später haben die Flüchtlinge offensichtlich trotzdem ihre Länder verlassen, und dem neuen Bericht zufolge bietet die EU jetzt Wirtschaftshilfen sowie „Visa-Erleichterungen für Diplomaten“ an, damit die genannten Regierungen ihre Flüchtlinge bitte wieder zurücknehmen.

Zur Erinnerung: Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mit Haftbefehl wegen Völkermordes gesucht. Der blutige Krieg im Sudans Westregion Darfur, um den sich der Haftbefehl dreht, dauert an, und dazu kommt ein weiterer blutiger Krieg in den Nuba-Bergen im Süden des Landes, begleitet von Luftangriffen und Massenvertreibungen.

Eritreas Regierung unterliegt UN-Sanktionen. Das Land gilt als eines der repressivsten der Welt, in dem Ausreise an sich schon verboten ist und wo laut Menschenrechtsorganisationen Erwachsene, die der permanenten Wehrpflicht unterliegen, zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Äthiopien geht regelmäßig mit drakonischen Verhaftungswellen gegen interne Kritiker vor. Somalia ist Bürgerkriegsland, dessen Staatsgebiet sich größtenteils der Regierungskontrolle entzieht und wo Milizen und islamistische Rebellen regelmäßig Kriegsverbrechen verüben.

Die Sendung

Donnerstag, 14.04.2016, 21:45 Uhr, ARD

Zuhause verrecken, oder in der Fremde

Die Regierungen Sudans und Eritreas werden zudem von Menschenrechtsorganisationen beschuldigt, selbst ins lukrative Geschäft mit der illegalen Ausreise verwickelt zu sein und daran zu verdienen. Verglichen mit all dem ist Erdoğans Türkei ein Paradies der Demokratie und der Meinungsfreiheit, Syriens Schlächter Baschar al-Assad darf sich wundern, wieso sein Land eigentlich nicht längst als sicheres Herkunftsland eingestuft wird, und die als fragwürdiger Flüchtlingsdeal verdammte Praxis Israels, Eritreer und Sudanesen nicht in die Heimatländer, sondern nach Uganda oder Ruanda abzuschieben, erscheint plötzlich als ein Gipfel der Humanität.

Fragen sollte sich insbesondere die deutsche Bundesregierung stellen, die mehrfach Gastgeber der Gespräche zwischen der EU und den nordostafrikanischen Ländern zur Kooperation in Flüchtlingsfragen im Rahmen des sogenannten Khartum-Prozesses gespielt hat. Der „Khartum-Prozess“ ist ein Ende November 2014 ins Leben gerufener Kooperationsrahmen zwischen Europäischer und Afrikanischer Union zur Entwicklung „konkreter Aktionen zur Prävention und Bewältigung der Herausforderungen des Menschenhandels und des Migrantenschmuggels zwischen dem Horn von Afrika und Europa in einem Geist der Partnerschaft, der geteilten Verantwortung und der Zusammenarbeit“. Beim letzten EU-Afrika-Migrationsgipfel auf Malta im vergangenen Herbst wurde diese Initiative bekräftigt. Geplant ist die „Entwicklung eines regionalen Rahmens für Rückführungen, einschließlich freiwilliger“. Man beachte das Wort „einschließlich“.

Natürlich wissen die Europäer, wie peinlich und verachtenswert das alles ist. Sonst würden die europäischen Berufszyniker nicht, wie „Monitor“ berichtet, darauf drängen, dass ihre neuesten Vorschläge keinesfalls in die Öffentlichkeit geraten dürfen. In den betroffenen afrikanischen Ländern gibt es keine Öffentlichkeit, da ist es egal. Aber man weiß auch dort längst, wie schwer es mittlerweile geworden ist, als Afrikaner seine Rechte als Flüchtling in Europa geltend zu machen. Immer öfter steht man einfach vor der Wahl, in der Heimat zu verrecken oder in der Fremde. Die EU schafft gerade diese Wahlmöglichkeit ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • (falsch platziert, sollte hier stehen)

    Und hier noch zum Thema Ätiopien, das Sie unten ansprechen: https://www.amnesty....f-in-aethiopien

  • Ach, Herr Renoir, ich hab das Gefühl, dass es nicht viel Sinn macht mit Ihnen zu diskutieren. Vielleicht liegt es einfach daran, dass die deutsche Sprache nicht Ihre Muttersprache ist, dass Sie mich einfach nicht verstehen. Was ich sagen wollte ist, dass die Menschen in den von Ihnen erwähnten afrikanischen Ländern einfach nicht so viele Möglichkeiten haben, sich über Politik zu informieren. Und aufgrund fehlender Demokratie haben sie auch nicht viel Einfluss auf die Politik. Es gibt Gründe, warum die Trennung Südsudans vom Norden richtig und sinnvoll war, wer das dann verdorben hat waren nicht die Bürger, sondern die Herrschenden. Die Bürger sind da vor allem Leidtragende.

    Und was die traditionelle Bildung in Afrika betrifft: Was nutzt die den Menschen dort in der heutigen Zeit?

    Ja, ich bin tatsächlich der Meinung, daß vielen Menschen in Afrika die Bildung fehlt. Allerdings ist das nicht die Schuld der Menschen, sondern im Gegenteil leider ihr Handicap. Ich will mit dieser Feststellung keineswegs die Menschen herabwürdigen, sondern nur klarstellen, dass die Situation in Deutschland zur Zeit der Machtübernahme der Nazis sich kaum vergleichen lässt mit der Situation der Bevölkerung in krisengeschüttelten afrikanischen Staaten.

  • Somalia ist nicht durchwegs Bürgerkriegsland, dessen Staatsgebiet sich größtenteils der Regierungskontrolle entzieht. Auf 50% der Landesflaeche gibt es lokale Regierungen: Galmudug, Puntland, Somaliland. In Somaliland gab es in den letzten 25 Jahren an 1 einzigen Tag Bombenanschlaege von Terroristen. Das zeigt die Möglichkeiten lokaler Kräfte, wenn sie ihr Schicksal in die Hand nehmen. Das soll keine Schreckensregime rechtfertigen, aber gerade das Beispiel SUdan, das sie nennen, Herr Johnson, ist doch überdeutlich: Der Südsudan hat sich vom Restsudan abgespalten und denen fällt nichts besseres ein, als einen üblen Bürgerkrieg anzufangen. In der zentralafr.Republik nicht viel anders. In Hamburg gibt es viele Ghanaer, auch Gambier. Ich weiß nicht, mit welchem Status. Ich hab auch nichts dagegen. Allerdings muss humanitäre Hilfe und Realpolitik einen Kompromiss finden. Wir haben die AfD bei 14% in Sachsen-Anhalt mit einer Wählerbewegung zT von der Linken weg.

    • @Gabriel Renoir:

      Und was hat das alles jetzt damit zu tun, dass unsere Kanzlerin windige Abkommen schließt mit irgendwelchen Dispoten, dass weiterhin immer wieder Menschen ertrinken, weil Sie in ihrer Heimat keine Perspektive sehen und sich auf einen gefährlichen Weg begeben? Finden Sie es jetzt richtig, wenn menschenverachtende Regime von unserer Regierung unterstützt werden? Und welche Verantwortung trägt der normale Bürger des Südsudan oder der zentralafrikanischen Republik am Bürgerkrieg in diesen Ländern? Mir scheint, die Menschen dort sind doch eher Opfer von Machtkämpfen, auf die sie keinen Einfluss haben. Und was hat all das letzten Endes jetzt zu tun mit Ghanaern oder Gambiern in Hamburg und dem Wahlerfolg der AfD in Sachsen Anhalt?

       

      Mir scheint, der Tenor Ihres langatmigen Beitrag ist letztendlich:

      1. Was kümmern mich die Leute "da unten", sind doch selber schuld.

      2. Wir haben schon genügend Ausländer hier, das gibt nur rechten Parteien Auftrieb.

      Fazit: Der Zweck heiligt die Mittel

       

      Ist es das was Sie uns sagen wollen?

      • @mwanamke:

        Nach Ihrer Theorie haben die Deutschen auch keine Verantwortung am 2. WK, denn der wurde ja von Hitler angezettelt. Die Verantwortung liegt jedoch immer auf beiden Seiten, Volk und Regierung. Wieso ist in Somaliland kein Bürgerkrieg, jedoch im Südsudan? Deutschland schickt ja die Leute nicht in den Südsudan zurück, sondern nach Marokko.

        • @Gabriel Renoir:

          Zufälligerweise gab es in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts schon die Schulpflicht, weshalb die meisten Deutschen des Lesens und Schreibens mächtig waren und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen konnten. Ja, schon damals gab es Demokratie in Deutschland, und zwar eine echte!

          Für Länder wie Sudan, Somalia oder die ZAR lässt sich dies alles nun einmal nicht behaupten.

           

          Und was das "Deutschland schickt ja die Leute nicht in den Südsudan zurück, sondern nach Marokko."... betrifft, sollten Sie vielleicht einfach noch einmal den obigen Artikel lesen, in dem es heißt:

          "Man hilft den Regimen, vor denen die Flüchtlinge auf der Flucht sind. Zum wiederholten Male berichtet das ARD-TV-Magazin „Monitor“ über das skandalöse Ausmaß der Kumpanei zwischen der Europäischen Union und den Regierungen von Sudan, Äthiopien, Eritrea und Somalia bei der Flüchtlingsabwehr."

          • @mwanamke:

            Nach Ihrer Theorie sind die Afrikaner also ungebildete Menschen, die keine Verantwortung übernehmen können. Die Regime im Sudan und in Eritrea liegen sowieso in den letzten Atemzügen. Äthiopien hat sich China zum Vorbild genommen. Müssen wir also alle Chinesen aufnehmen, wenn die jetzt in einem Unrechtsregime leben und Asyl in Deutschland beantragen? Das sind über 1 Milliarde. Und den Somaliern kann man nicht helfen, wenn sie sich kein Bespiel an ihren eigenen Landsleuten nehmen, nämlich denen in Somaliland (Frieden dort).

          • @mwanamke:

            Die afrikanischen Kulturen hatten auch ihre Form von Bildung, traditioneller Initiation und Stammesdemokratie.

            Wir brauchen eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik, am besten Einwanderung nach Punktesystem wie Kanada. Die Eingewanderten werden ihre Familie zuhause unterstützen.

            Wir werden nicht alle, die kommen wollen, aufnehmen können, denn das würde den sozialen Frieden in Deutschland und in Europa dauerhaft gefährden und nationalistischen Tendenzen Auftrieb geben und die Wahlerfolge der rechten Szene begünstigen und fördern. Äthiopien ist übrigens nicht so schrecklich: Die Regierungschefs wechseln von Zeit zu Zeit und die Lebenserwartung stieg von 1980 und 2014 um 20 Jahre. Trotzdem versuchen viele ihr Glück in den USA oder in Europa. Das liegt auch am hohen Bevölkrungswachstum, das viele der Verbesserungen auffrisst.