EU-Sondergipfel : Brüssel hört die Signale

Frankreichs neuer Präsident Hollande gibt gleich bei seiner Premiere den Ton an. Ab sofort geht es bei der EU um Wachstum, nicht um Merkels Fiskalpakt.

Brüssel, 23. Mai. Viel mehr harte Fakten hatte der Gipfel nicht zu bieten. Bild: reuters

BRÜSSEL taz | Die EU bekommt ein neues Wachstumsprogramm. Zwar konnten sich die 27 Staats- und Regierungschefs am Mittwochabend in Brüssel noch nicht auf Details einigen, die sollen erst beim nächsten EU-Gipfel Ende Juni folgen. Doch Frankreichs neuer sozialistischer Präsident François Hollande gab den Ton an, der Fiskalpakt wird um ein Wachstumspaket ergänzt.

Einigkeit herrschte bei dem fast sechsstündigen Abendessen darüber, dass die Europäische Investitionsbank mehr Kapital bekommt, um Investitionen in Straßen, Bahntrassen oder Stromleitungen zu fördern. Die EU will auch mehr gegen die vor allem in Südeuropa galoppierende Jugendarbeitslosigkeit tun. Kommissionschef José Manuel Barroso schlug vor, 7,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget auszugeben, um Jobs für junge Leute zu schaffen.

Diesen Plänen widersetzte sich nicht einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bisher auf einen strikten Sparkurs gesetzt hatte. Streit gab es dagegen über gemeinsame Staatsanleihen, die sogenannten Eurobonds. Merkel lehnt sie ab, weil sie die Kosten für die Aufnahme neuer Schulden für Deutschland erhöhen würden und nicht in den EU-Verträgen vorgesehen sind. "Ich glaube, dass sie kein Beitrag sind, um das Wachstum anzukurbeln", fügte sie hinzu.

Doch mit ihrer Blockade stand sie ziemlich allein: Nur die Niederlande und das Nicht-Euro-Mitglied Schweden teilten Merkels harte Haltung. Eurobonds bleiben daher weiter auf der Tagesordnung, wenn auch als "langfristiges Vorhaben", wie Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte. Hollande hat die EU-Agenda gleich bei seinem ersten Gipfelsturm umgekrempelt. Ab sofort hat Wachstum Priorität, Merkels Fiskalpakt rückt in den Hintergrund.

Allerdings ist noch unklar, ob Hollande seine Drohung in die Tat umsetzen wird, den Fiskalpakt nicht zu ratifizieren. Offenbar möchte der Sozialist erst noch den Ausgang der französischen Parlamentswahlen Mitte Juni und die Verhandlungen in Berlin abwarten, bevor er sich endgültig festlegt. Auch die Volksbefragung über den Fiskalpakt Ende Mai in Irland könnte eine Rolle spielen. Wenn die Iren "No" sagen, wäre der Pakt womöglich erledigt.

Offen ist auch, ob das geplante Wachstumspaket ausreichen wird, die Konjunktur tatsächlich anzukurbeln. Merkel besteht darauf, dass das Programm nicht durch Schulden finanziert wird und die EU keine neuen Mittel bekommt. Sie setzt vor allem auf Strukturreformen nach Vorbild der deutschen Agenda 2010 sowie auf eine weitere Öffnung des Binnenmarkts. Ein ähnliches Programm hatte die EU allerdings bereits vor einem Jahr beschlossen - bisher ohne erkennbare Wirkung.

Dabei braucht die europäische Wirtschaft dringend Impulse: Die Eurokrise hat die Stimmung in der deutschen Wirtschaft deutlich eingetrübt, wie das Münchner Forschungsinstitut Ifo gestern meldete. In der Eurozone wurde sogar der stärkste Rückgang der Geschäfte seit Mitte 2009 gemeldet. Die EU hat nicht mehr viel Zeit, wenn sie einer tiefen Rezession entgehen will.

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