EU-Richtlinie zum Urheberrecht: Ein Zombie kehrt zurück
Die Regierung will das gescheiterte Leistungsschutzrecht für Zeitungsverleger neu einführen. Das Justizministerium hat einen Entwurf vorgelegt.
Die Bundesregierung will das Leistungsschutzrecht für Presseverleger schnellstmöglich neu einführen und damit die novellierte EU-Richtlinie zum Urheberrecht umsetzen. Die Justizministern Christine Lambrecht (SPD) hat vergangene Woche einen entsprechenden Diskussionsentwurf vorgelegt.
Auch das neue Leistungsschutzrecht wird den Verlegern wohl nur minimale Einnahmen bringen. Presseverleger beschweren sich schon lange, dass Google die Onlinemedien ausbeutet, ohne dafür zu bezahlen. So werde in Trefferlisten schon wichtige Teile des Inhalts als Snippet, also Schnipsel angezeigt. Die Verleger wollen, dass Google hierfür Lizenzgebühren bezahlt.
Auf Wunsch der Verleger führte Deutschland 2013 ein gesetzliches Leistungsschutzrecht ein, das aber völlig verpuffte. Google weigerte sich einfach, für Lizenzen zu bezahlen. Die Verleger gestatteten Google daher die Nutzung der Snippets ohne Gegenleistung, damit die Suchmaschine ihre Inhalte weiter in Trefferlisten aufnimmt und Verkehr auf ihre Seiten lenkt. 2019 kippte zudem der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Gesetz, weil es bei der EU-Kommission nicht angemeldet worden war.
Lambrechts neuer Entwurf geht auf die 2019 novellierte EU-Richtlinie zum Urheberrecht zurück. Auf deutsche Initiative ist dort jetzt ein EU-weites Leistungsschutzrecht für Verleger vorgesehen. Diese glauben, dass sie sich besser gegen Google durchsetzen können, wenn sie EU-weit gemeinsam verhandeln. Da Medien-Märkte aber national organisiert sind, wird Google vermutlich weiter am längeren Hebel sitzen und keine Lizenzgebühren zahlen. Auf ein entsprechendes französisches Gesetz hat der Konzern jüngst nur damit reagiert, dass er die Snippets so verkürzte, dass sie lizenzfrei wurden.
Der aktuelle Entwurf bleibt vage
Deutschland muss nun aber die EU-Richtlinie umsetzen, inklusive Leistungsschutzrecht. Betroffen sind davon auch kleinere Suchmaschinenbetreiber und andere „Dienste der Informationsgesellschaft“.
Die Bundesregierung findet das Leistungsschutzrecht sogar so wichtig, dass sie es vorab einführen will. Andere Teile der Richtlinie, insbesondere die umstrittenen Upload-Filter für YouTube, sollen erst in einem späteren Gesetzentwurf geregelt werden. In Lambrechts Diskussionsentwurf ist das Leistungsschutzrecht auf zwei Jahre beschränkt. Die Verleger können es auch auf eine Verwertungsgesellschaft wie die VG Media übertragen. Journalisten und Fotografen sollen einen „angemessenen“ Anteil der Einnahmen erhalten. Was angemessen ist, lässt die Justizministerin offen.
Lizenzfrei nutzbar sind weiterhin „einzelne Worte oder sehr kurze Auszüge“ eines Beitrags. Wie viele Worte kostenfrei genutzt werden können, lässt der Entwurf aber ebenso offen. Er stellt jedoch klar, dass die Überschrift lizenzfrei bleibt, ebenso Bild- und Tonsequenzen bis zu drei Sekunden sowie schlecht aufgelöste, kleine Vorschaubilder mit maximal 128 x 128 Pixel.
Längere Zitate bleiben in Ausnahmen möglich. Journalisten können zudem eigene Beiträge auf ihren Websites mit längeren Snippets kostenlos bewerben. Der Diskussionsentwurf bezieht sich außerdem auf die Verlegerbeteiligung an den VG-Wort-Einnahmen. Diese soll wieder eingeführt werden, nachdem der EuGH sie 2015 beanstandet hatte.
Der Entwurf aus dem Justizministerium ist noch nicht mit den anderen Ressorts abgestimmt. Bis zum 31. Januar können Interessenten Stellung nehmen. Anschließend will sich die Bundesregierung auf einen Gesetzentwurf einigen, wobei das Leistungsschutzrecht und die Verlegerbeteiligung zwischen CDU/CSU und SPD bisher nicht umstritten sind. Anschließend beginnt das normale Gesetzgebungsverfahren mit Beteiligung des Bundesrats, der aber kein Vetorecht hat.
Die Bundesregierung möchte das Leistungsschutzrecht deutlich vor der Frist zur Richtlinien-Umsetzung im Juni 2021 einführen.
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