EU-Ratschef über Flüchtlingspolitik: Tusk fordert Kehrtwende von Merkel
Niemand in Europa sei bereit, „diese hohen Zahlen aufzunehmen“, sagt Donald Tusk. Der EU-Ratschef fordert eine Kehrtwende von Kanzlerin Merkel.
Vor allem durch eine drastische Ausdehnung der Prüfzeit will der frühere polnische Ministerpräsident die hohe Zahl der Ankömmlinge bremsen. Im Völkerrecht und auch im EU-Recht gebe es eine Regel, wonach „18 Monate für die Überprüfung gebraucht werden“, wurde Tusk vom britischen Guardian zitiert. Derzeit sei es „zu einfach“ für die Flüchtlinge, in die EU zu gelangen. „Bitte spielen sie die Rolle der Sicherheit nicht herunter“, sagte Tusk weiter. „Wenn man Einwanderer und Flüchtlinge überprüfen will, braucht man mehr als nur eine Minute für Fingerabdrücke.“
Der Ratschef liegt in der Flüchtlingsfrage mit Merkel über Kreuz, die seit Monaten für eine Umverteilung der Neuankömmlinge unter allen EU-Staaten kämpft. Gegen den Widerstand Polens und anderer osteuropäischer Länder hatten die EU-Innenminister im September zunächst eine Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen.
Die Entscheidung per qualifizierter Mehrheit grenze an „politische Nötigung“, sagte Tusk, der die Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs einberuft und leitet. Er könne verstehen, dass es mehrere Länder gebe, die sich gegen einen permanenten und verbindlichen Umverteilungsmechanismus stemmten.
Bremens Bürgermeister Sieling: Tusk „ungeheuerlich“
Der Chef der deutschen Ministerpräsidentenkonferenz, Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), hat die Forderung des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk nach einer Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik scharf zurückgewiesen. Tusk mache sich zum Wortführer der EU-Länder, die sich seit Wochen und Monaten verweigerten, ihre Verantwortung wahrzunehmen, kritisierte Sieling am Donnerstag im Deutschlandfunk.
„Dass Herr Tusk diese Position jetzt einnimmt, ist ungeheuerlich für die Rolle, die er hat. Er hat zusammenzuführen und Probleme zu lösen und sich nicht einseitig auf die Seite der Verweigerer zu stellen“, sagte Sieling.
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