EU-Plan für Entwicklungsländer: Zollbonus für Rücknahme Geflüchteter
Der Europäische Rat und die Kommission wollen Zollbegünstigungen an die Rücknahme Geflüchteter koppeln. Das Parlament ist empört.
Dort gibt es gerade mächtig Krach. Denn die Europäische Kommission und der Rat wollen eine neue Bedingung für die Zollvergünstigungen einführen: Empfängerländer müssen abgelehnte Asylbewerber zurücknehmen. Staaten, die nicht ausreichend kooperieren, könnten Handelspräferenzen verlieren.
Das hat für Empörung im Europäischen Parlament gesorgt: „Es ist falsch, dieses wichtige entwicklungs- und handelspolitische Instrument als migrationspolitisches Werkzeug zu missbrauchen“, sagte Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses, der taz. Das Parlament werde die Vorschläge der Kommission und des Rats diesbezüglich nicht akzeptieren.
Für Montagabend sind weitere Trilogverhandlungen angesetzt. Lange hofft, dass es die letzten sind. Die Verhandlungsführenden des EU-Parlaments sind einen Schritt auf Kommission und Rat zugegangen: Rückführungen könnten als Erwartung für die Länder formuliert werden – nicht aber als Bedingung.
Nachhaltigkeit soll wichtiger werden
Das Allgemeine Präferenzsystem wurde auf Empfehlung der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) ins Leben gerufen. Viele Industriestaaten folgten der Aufforderung, ärmere Länder bei der Entwicklung durch Zollbegünstigungen zu unterstützen. Damit sollte Armut verringert werden.
In der neuen Fassung der EU soll Nachhaltigkeit eine größere Rolle spielen. Empfängerländer müssen etwa das Pariser Klimaabkommen unterzeichnen und Maßnahmen ergreifen, die Ziele umzusetzen. Bei schwerwiegenden Verstößen können Sanktionen folgen.
Das APS soll zudem flexibler werden, zum Beispiel mit mehr Spielraum bei den Ursprungsregeln. Dabei geht um es den Status des sogenannten „präferenziellen Ursprungs“ eines Produkts: Der wird einer Ware bisher nur dann verliehen, wenn diese zu festgelegten Teilen in der betreffenden Region gewonnen oder hergestellt wurde. Künftig sollen die Inhaltsstoffe auch aus mehreren Regionen kommen dürfen.
Außerdem soll besser kontrolliert werden, ob Empfängerländer die Konventionen zu Menschenrechten, Arbeitsschutz oder Nachhaltigkeit auch wirklich umsetzen und nicht nur unterzeichnen.
Stärkung der Zivilgesellschaft bei der Kontrolle
„Das Allgemeine Präferenzsystem ist eine Maßnahme der EU, die vielen Ländern hilft. Wenn man partnerschaftlich die Umsetzung der Regeln zu Menschenrechten, Arbeitnehmerrechten und Umweltschutz stärkt, kann es noch mehr Menschen vor Ort helfen“, meinte Lange.
Bei der Umsetzung soll es deshalb mehr Transparenz über Ziele und Maßnahmen geben, mehr Dialog bei Verfehlungen und eine stärkere Einbeziehung von Gewerkschaften, NGOs und Unternehmen vor Ort. Das begrüßen auch viele Akteure aus der Zivilgesellschaft.
Sie sehen in dem Präferenzsystem einen Hebel, um ihre Rechte besser durchzusetzen. Oft argumentieren sie, dass die EU zu wenig von Sanktionen Gebrauch machen würde, selbst bei schweren Menschenrechtsverletzungen. Zuletzt strich die EU 2019 etwa die Zöllbegünstigungen von Kambodscha wegen „systematischer Verletzungen der grundlegenden Menschen- und Arbeitnehmerrechte“.
Allerdings wurde das größte Exportgut ausgenommen: Textilien durften weiterhin günstig auf den europäischen Markt. Nach den neuen Regeln sollen aber auch die negativen Auswirkungen von Sanktionen, etwa auf Arbeitnehmerrechte, besser analysiert werden.
Folgen des exportorientierten Wirtschaftswachstums
Es gibt aber auch andere Kritik. Zum einen heißt es, das APS sei eine einseitige Gesetzesinitiative von der EU: Betroffene Entwicklungsländer werden konsultiert, aber von einer „partnerschaftlichen“ Ausgestaltung könne keine Rede sein. Zum anderen wird das marktwirtschaftliche, vor allem exportorientierte Verständnis von Entwicklung kritisiert – verbunden mit der Frage, ob die Maßnahmen tatsächlich der Bevölkerung oder nur exportierenden Unternehmen zugutekommen.
Die Halbzeitbewertung des Allgemeinen Präferenzsystem der Europäischen Kommission von 2019 kommt zu dem Schluss, dass das System positive Effekte auf Menschenrechte habe. Exporte hätten „Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und soziale Entwicklung in den Empfängerländern“ erhöht, heißt es weiter.
Kurz danach räumt der Bericht aber ein, dass exportorientiertes Wirtschaftswachstum „einen negativen Einfluss auf die Umwelt“ habe, in manchen Fällen in Zusammenhang mit Landvertreibungen stehe oder dass Unternehmen aus Wettbewerbsgründen gegen Arbeitsrechte verstoßen. Kritiker zweifeln ebenso, ob es eine direkte Verbindung zwischen Wirtschaftswachstum im Zuge von Handelsliberalisierung und Armutsbekämpfung gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär