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EU-Parlament über EU-Mittel für UngarnKein EU-Geldautomat für Orbán

Das Europäische Parlament fordert die Kommission und den Rat auf, 7,5 Milliarden Euro nicht an Ungarn auszuzahlen. Es fehlen Antikorruptionsmaßnahmen.

Macht gerne auf sich aufmerksam: Premierminister Orban aus Ungarn Foto: Bernadett Szabo/reuters

Berlin taz | Solange Ungarns Regierung keine ausreichenden Antikorruptionsmaßnahmen ergreift, dürfen keine weiteren Milliarden von der Europäischen Union an sie fließen. So lautet die Resolution des Europäischen Parlaments, für die 416 Abgeordnete mit Ja und 124 mit Nein stimmten – bei 33 Enthaltungen.

Direkte Auswirkungen hat das aber noch nicht. Das Parlament gibt damit zunächst die Richtung vor, welche voraussichtlich nächste Woche die EU-Kommission mit einer Empfehlung bestätigt. Dann können die EU-Finanzminister Anfang Dezember im EU-Rat darüber abstimmen, ob sie 7,5 Milliarden Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt für Ungarn einfrieren. Bis zum 19. Dezember hat der Rat Zeit, auf der Grundlage des Kommissionsvorschlags mit qualifizierter Mehrheit einen Beschluss zu fassen.

Die Europäische Kommission hatte Orbán eine Frist bis zum 19. November gesetzt, um 17 Maßnahmen gegen die weit verbreitete Korruption im Land umzusetzen. Aber nach Ansicht des EU-Parlaments besteht in Ungarn weiterhin die Gefahr des Missbrauchs von EU-Geldern. Die Kommission soll erst grünes Licht für den ungarischen Konjunkturplan und die 34 Milliarden des Kohäsionsfonds geben, wenn Budapest alle Empfehlungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und alle Urteile des EU-Gerichtshofs und des Gerichtshofs für Menschenrechte vollständig erfüllt hat. An Regionalförderung oder in Form einer Agrarsubvention soll Ungarn bis 2027 mehr als 34 Milliarden Euro erhalten.

Doch der ungarische Regierungschef setzt die EU seinerseits auch unter Druck: „Orbán zerstört den ungarischen Rechtsstaat, hofiert Putin, lässt EU-Mittel an Freunde auszahlen“, kritisierte der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner.

Millionen für die Ukraine: Budapest will nur bilateral helfen

Die ungarische Regierung blockiert seit Wochen die 18 Milliarden Euro EU-Finanzhilfe für die Ukraine. Stattdessen erklärte die ungarische Regierung, sie wolle der Ukraine zwar finanziell helfen, aber nicht als Teil der EU-Hilfen: Am Mittwochabend veröffentlichte sie ein Dekret, durch das sie der Ukraine 187 Millionen Euro für Hilfe zur Verfügung stellen. Das Europäische Parlament forderte nun mit seiner Resolution am Donnerstag die Kommission und den Rat auf, dem Druck Ungarns standzuhalten.

Aber auch ansonsten macht Viktor Orbán auf sich aufmerksam. Beispielsweise als er am Anfang der Woche bei einem Länderspiel einen Schal trug, auf dem die alten Grenzen Ungarns (Großungarns) mit Territorien der heutigen Ukraine, Slowakei, Rumänien, Serbien und Kroatien dargestellt waren.

Während in Straßburg die EU-Parlamentsabgeordnete für die Einfrierung von EU-Mittel in Ungarn abstimmten, bekam Orbán auch Gegenwind und Druck von seinen verbündeten Vise­grád-Kollegen. Der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger schenkte ihm einen neuen Schal mit den Farben der slowakischen Fußballmannschaft. Beide Regierungschefs kamen beim Treffen der Vise­grád-Gruppe im Osten der Slowakei zusammen. Mit dem neuen Schal versuchte sein slowakischer Kollege, Orbán auf den Kurs der restlichen Vise­grád-Staaten zurückzuführen, nämlich den einer stärkeren Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki bat den ungarischen Premierminister am Donnerstag in der Slowakei um eine Ratifizierung des Nato-Beitritts von Finnland und Schweden. Die Türkei und Ungarn sind die letzten Nato-Mitglieder, die der Nato-Erweiterung zustimmen müssen. Im Rahmen des Visegrád-Treffens sagte Orbán vor der Presse, dass mit einer Zustimmung des ungarischen Parlaments für den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens erst auf der ersten Sitzung im Jahr 2023 zu rechnen sei. Geplant war ursprünglich eine NATO-Abstimmung in Budapest am 7. Dezember. Ein Tag davor tagen die EU-Finanzminister und beraten über die Einfrierung von Milliarden für Ungarn.

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8 Kommentare

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  • Bei Orban hilft nur noch die Monopoly- Karte: "Gehe in das Gefängnis. Begib Dich direkt dorthin. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht DM 4000 ein".

  • Letztendlich kämpft die EU mit sich selber und um sich selber. Um eine politische Zukunft zu haben muss sich die EU vor allem nach innen stark zeigen. Die Erpresserei hat nämlich längst systemischen Charakter und gefährdet die EU im Kern. Ein Orban ist im Moment eigentlich sogar ein ganz angenehmer Gegner, da er sich zunehmend isoliert.

  • Aus meiner Sicht ist der größte Makel - quasi ein Geburtsfehler - der europäischen Staatengemeinschaft das Einstimmigkeitsprinzip.

    An diesem unsäglichen Fehler entstehen immer neue Probleme, die der EU schwer zu schaffen machen.

    Es gehört dringend ersetzt durch ein demokratisches Mehrheitsprinzip.

    Nur fraglich, was noch alles passieren muss, bis alle Mitgliedsstaaten mit dieser schwierigsten, aber in meinen Augen existenziellsten Reform einverstanden sein werden. Da muss wohl erst die Einsicht einkehren, dass alle mächtig verlieren werden, wenn der ganze Laden droht, ihnen um die Ohren zu fliegen.

    Solange können Länder wie bspw. Ungarn daraus einen Selbstbedienungsladen machen - mit freundlichem, maximal zahneknirschend geduldeten Wegsehen derjeniger, die nun mit einer ganzen Hand den Preis zu zahlen haben für einen einst benötigten kleinen Finger.

    Herr Freund hat meine volle Unterstützung. Hilft wohl nur wenig.

  • Das wird kaum klappen. Die EU kann nicht einfach einem Land willkürlich Gelder kürzen. Die Statuten lassen das nicht zu. Nur dumm, dass man sich korrupte Staaten in die EU holt.

    • @Kappert Joachim:

      Und willkürlich ist hier schon mal gar nichts.

    • @Kappert Joachim:

      Einfrieren ist nicht kürzen und das lassen diese Statuten im Rahmen von Sanktionen sehr wohl zu.

  • Vergessen wir nicht: dieses Monster wurde in der EVP gezüchtet.

    • @tomás zerolo:

      Richtig. Die EVP, also CSU/CDU, haben die Grundlage für Orbans Erfolg geschaffen. Aus reinem Machtkalkül. Die Geschichte zeigt, ohne Wegbereiter kommen Faschisten und Rechtsnationale nicht an die Macht.