piwik no script img

EU-Paket zur AsylpolitikReform für mehr Abschreckung

Jahrelang rang die EU um eine neue Asylpolitik. Menschenrechtler rechnen mit mehr illegalen Pushbacks und einem kruden Geflecht an Sonderregeln.

Rettungsaktion im Mittelmeer: Werden mit der neuen Reform mehr Geflüchtet zurückgeschoben? Foto: Jeremias Gonzalez/AP/dpa

Berlin taz | So richtig hatte niemand mehr daran geglaubt. Nach mehr als achtjährigen Verhandlungen einigten sich die EU-Innenminister*innen Mitte 2023 auf eine grundlegende Reform der EU-Asylpolitik. Mittlerweile haben EU-Parlament und Rat der EU das Verordnungspaket offiziell beschlossen. Die EU setzt mit der Reform deutlicher als je zuvor darauf, Geflüchtete per massiver Abschreckung fernzuhalten. Alle Geflüchteten sollen an den Grenzen künftig ein Screening durchlaufen.

Personen aus Ländern, bei denen die Asylanerkennungsquote europaweit unter 20 Prozent liegt, sollen anschließend kein normales Asylverfahren, sondern ein beschleunigtes Grenzverfahren durchlaufen. Dafür werden sie maximal drei Monate in gefängnisähnlichen Lagern inhaftiert, auch Familien mit Kindern sind davon nicht ausgenommen. Wessen Asylantrag abgelehnt wird, soll direkt aus dem Haftlager zurückgeschoben werden. Während Screening und Grenzverfahren gelten die Geflüchteten juristisch als nicht eingereist und haben deswegen nur schwer Zugang zu rechtlicher Beratung.

Auch wer über einen sogenannten sicheren Drittstaat einreist, soll ein Grenzverfahren durchlaufen, in der Regel abgelehnt und dann in den Drittstaat abgeschoben werden. Zudem wurden die Kriterien dafür, was einen Staat „sicher“ macht, deutlich abgesenkt.

Teil des Reformpakets ist aber auch die sogenannte Krisenverordnung. Die legt fest, dass viele der Einschränkungen, die normalerweise im Umgang mit Geflüchteten noch gelten, in bestimmten Fällen nicht mehr angewendet werden müssen. Die Verordnung soll greifen, wenn die Zahl der Geflüchteten massiv steigt, wenn „höhere Gewalt“ im Spiel ist oder Geflüchtete von anderen Staaten instrumentalisiert werden. Letzteres bezieht sich auf Fälle wie den an der Grenze zu Belarus, dessen Regime Geflüchtete nach Polen oder die baltischen Staaten schickt, um Druck auf die EU auszuüben.

Lasten in der EU nach wie vor ungleich verteilt

Besteht ein solcher Krisenfall, können die Grenzverfahren massiv ausgeweitet werden und Unterbringungsstandards abgesenkt werden. Geflüchtete dürfen dann nicht nur deutlich länger in Haft genommen werden, auch Gruppen, die sonst ausgenommen sind, dürfen dann den Grenzverfahren unterworfen werden. Auch die Frist, in der Schutzgesuche neu angekommener Geflüchtete offiziell registriert werden, verlängert sich im Krisenfall deutlich.

Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass es dadurch einfacher wird, illegale Pushbacks zu verschleiern, bei denen Geflüchtete direkt zurück über die Grenze gezwungen werden, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können. Insgesamt könnte die Krisenverordnung ein undurchsichtiges Geflecht von Sonderregelungen schaffen, das Rechtsbrüche erleichtert und Kontrolle durch Medien und Zivilgesellschaft erschwert.

Einen echten – das heißt bindenden – Verteilmechanismus für Geflüchtete sieht die GEAS-Reform nicht vor. Damit bleibt eins der zentralen Probleme in der EU weiter ungelöst. Dass Staaten wie Ungarn, die keine Geflüchteten aufnehmen, nun Geld zahlen müssen oder andere Unterstützung leisten sollen, ändert nichts daran, dass die Lasten der Migrationsbewegungen nach Europa weiter höchst ungleich verteilt bleiben. Ab 2026 treten die Verordnungen in Kraft.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Von den Grünen mit abgesegnet, das muss man auch mal sagen dürfen. Welch eine Empörung legten sie an den Tag, als damals unter Trump Flüchtlinge samt Kindern auch in geschlossenen Lager nahe der mexikanischen Grenze eingesperrt wurden, und nun macht die EU mit Duldung der Grünen das gleiche. Bin mal gespannt wie Ricarda Lang es uns dieses wieder als Erfolg mal verkauft.

    • @Rudi Hamm:

      Die wurden da auch schon von Obama eingesperrt und werden es jetzt von Biden auch, nur interessiert das sog. "Links-liberale" nicht, sobald es die richtigen machen und nicht die falschen.

      Es gibt auf YouTube die Aufzeichnung einer Kongressanhörung, in der ranghohe ICE-Beamte unter Eid aussagen, dass die Anordnung die Kids in die Käfige zu stecken von der Obama-Administration kam und das Verfahren unter Trump schlichtweg nur fortgesetzt wurde.

      • @Murad Hal:

        Wusste ich so nicht, aber das macht die Entscheidung fürs Einsperren trotzdem nicht besser. Obama war eh kein Heiliger, wie Guantanamo zeigt, seinen Friedensnobelpreis habe ich nie verstanden.

        • @Rudi Hamm:

          Marketing. Er ist eben der erste schwarze US Präsident, dass hat eben ausgereicht ihm gleich zu Beginn und nur Aufgrund seiner Reden den Preis zu schenken.