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EU-Lieferketten-RichtlinieDen Kern bewahren

Hannes Koch

Kommentar von

Hannes Koch

Die EU will eine geplante Richtlinie lockern. Diese sollte Konzerne verpflichten, sich stärker für Menschenrechte in ihren Lieferketten einzusetzen.

Der Suizid von Beschäftigten in chinesischen iPhone-Fabriken von Foxconn hatte 2010 für Schlagzeilen gesorgt Foto: Bobby Yip/reuters

D er historische Zyklus der Globalisierung geht zu Ende. Darauf deutet die Einigung von EU-Rat und -Parlament zur Entkernung der EU-Lieferketten-Richtlinie hin. Der Versuch, den ungeregelten Weltmarkt zu zivilisieren, wird damit weitgehend eingestellt.

Es ist zwar nur ein Zwischenschritt – aber das vermutliche Ergebnis ist deutlich zu sehen. Nur noch die größten Konzerne müssen künftig auf die Menschenrechte der Beschäftigten ihrer weltweiten Zulieferer achten. Und den ausländischen Ar­bei­te­r:in­nen wird ein Hebel zur Durchsetzung ihrer Rechte vor europäischen Gerichten genommen, indem man die Regelung zur zivilrechtlichen Haftung hiesiger Unternehmen streicht.

Die Einführung menschenrechtlicher Normen für global agierende Unternehmen war eine Reaktion auf die Auseinandersetzungen um die Auswirkungen der neuen Globalisierung, die in den 1980er Jahren begann. Europäische und nordamerikanische Firmen profitierten damals vom ungeregelten Weltmarkt – mit Folgen wie Suiziden von Beschäftigten in chinesischen iPhone-Fabriken und über tausend Toten beim Zusammenbruch der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch. Doch nun gerät der einheitliche Weltmarkt selbst unter die Räder neuer autoritärer Machtblöcke wie China, Russland und den USA unter Donald Trump.

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Um in dieser Strömung nicht zu ertrinken, setzt Europa ebenfalls eigene, kurzfristige ökonomische Interessen an erste Stelle und schleift seine selbstgesetzten Normen. Aber was kommt nach der Globalisierung? Erstmal keine „regelbasierte Weltordnung“, die viele europäische Po­li­ti­ke­r:in­nen gerne hätten. Trotzdem muss die EU, will sie überleben, ihren Kern bewahren: Demokratie, Rechtsstaat und die universellen Menschenrechte, die mindestens theoretisch für alle Menschen gelten. Denn die sind die Basis für höhere Lebensqualität, bessere Produkte und größeren Wohlstand, als autoritäre Regime bieten können.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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2 Kommentare

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  • Firmen, die ordentlich arbeiten, sollten eigentlich ganz ohne staatlichen Zwang darauf achten, dass es in ihren Lieferketten gesittet zugeht. Dasselbe sollten die Konsumenten tun, zuallererst die, die es sich leisten können.

  • This is such an important reminder of what truly gives Europe its strength. Even as globalization shifts and pressures rise, we can’t afford to let go of the values that made the EU a global leader in fairness and human rights. Protecting people in supply chains isn’t just idealistic — it’s what ensures better products, stronger societies, and a more trustworthy economy. I hope the EU holds firm to these core principles, because they’re exactly what set us apart in a world moving toward authoritarianism. Staying true to our values is how Europe wins the future.