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EU-Kommissionspräsidentin von der LeyenNeues Misstrauensvotum im Europaparlament

Linke und Rechtsradikale im Europaparlament wollen Kommissionspräsidentin von der Leyen abwählen. Am Donnerstag kommt es gleich zu zwei Vertrauensabstimmungen.

Für ihren Sturz wäre eine Zweidrittelmehrheit im EU-Parlament nötig: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Brüssel taz | EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss schon wieder um ihren Job kämpfen. Nur drei Monate nach einem ersten, gescheiterten Misstrauensvotum im Europaparlament stehen der CDU-Politikerin am Donnerstag zwei weitere Vertrauensabstimmungen bevor. Diesmal wird sie von Linken und Rechtsradikalen gleichzeitig herausgefordert. Von der Leyen wehrt sich mit einem verbalen Rundumschlag.

Ihre Gegner im Parlament würden den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin dienen, behauptete von der Leyen bei einer Aussprache in Straßburg am Montagabend. „Die Wahrheit ist: Unsere Gegner sind nicht nur bereit, jede Spaltung auszunutzen – sie schüren diese Spaltungen aktiv.“ Beweise für eine Einmischung Putins in die Parlamentsarbeit blieb die deutsche Politikerin aber schuldig.

Der Nachweis dürfte schwerfallen, denn beide Misstrauensanträge werden vor allem mit von der Leyens eigener Arbeit begründet. Die Linksfraktion im EU-Parlament hält der Kommissionschefin vor, Europa dem US-Präsidenten Donald Trump zu unterwerfen. Neben dem Handelsdeal verweisen die linken Fraktionschefs Manon Aubry und Martin Schirdewan auch auf die Israelpolitik.

„Sie haben die EU in die außenpolitische Bedeutungslosigkeit gestürzt“, erklärte Schirdewan. In den laufenden Verhandlungen um Frieden in Gaza spiele Europa keine Rolle. Den Sozialdemokraten und Grünen, die von der Leyen weiter stützen, warf Schirdewan „politische Insolvenzverschleppung“ vor. Statt einen Politikwechsel herbeizuführen, förderten sie den Politikverdruss.

Die Mitte steht nicht mehr so richtig

Die Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion S&D, Iratxe García, sagte, die Misstrauensanträge seien zum Scheitern verurteilt. Man sei sich mit der Linken zwar einig, dass Israel in Gaza einen „Völkermord“ begehe. Nun sei aber konkrete Hilfe gefragt, so die spanische Sozialistin. Die Fraktionschefin der Grünen, Terry Reintke, warnte davor, eine EU-Krise herbeizuführen.

Allerdings äußerten sich sowohl die Grünen als auch Liberale und Sozialdemokraten unzufrieden mit von der Leyens Arbeit. Rückendeckung bekam sie nur von den Konservativen. Deren deutscher Chef Manfred Weber (CSU) sagte, die Misstrauensanträge würden für Propagandazwecke missbraucht. Die französischen Nationalisten versuchten, ihren Wahlkampf von Paris nach Straßburg zu tragen.

Nach der Aussprache im Parlament bleibt der Eindruck, dass die proeuropäische „Mitte“ nicht mehr vorbehaltlos zu von der Leyen hält. Dass „die Mitte steht“, wie es nach der Europawahl 2025 in Brüssel hieß, würde heute wohl niemand mehr behaupten. Selbst die Konservativen äußern immer öfter Kritik am Kurs der EU-Kommission – wie zuletzt beim Verbrennerverbot oder beim Bürokratieabbau.

Bei der Vertrauensabstimmung am Donnerstag dürften sich die Parteien der informellen großen Koalition dennoch zähneknirschend hinter von der Leyen stellen. Für ihren Sturz wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig. Bei mangelnder Wahlbeteiligung ist die Hürde sogar noch höher: Dann ist zusätzlich die absolute Mehrheit der Mandate nötig – mindestens 360 Stimmen. Das ist kaum zu schaffen.

Wenn die Misstrauensanträge scheitern, kann die Kommissionspräsidentin weitermachen – ihre Amtszeit läuft noch bis 2029. Doch aus dem Schneider ist sie dann noch lange nicht. In Frankreich steht ihr vielleicht wichtigster Unterstützer – Staatspräsident Emmanuel Macron – politisch mit dem Rücken zur Wand. Und in Deutschland ist Kanzler Friedrich Merz deutlich auf Distanz gegangen.

„Es ist einfach zu viel. Und darüber werden wir sprechen“, sagte der CDU-Chef beim letzten EU-Gipfel in Kopenhagen. Bei der europäischen Regulierungsdichte müsse „grundlegend korrigiert“ werden. Wen er damit meinte, war allen klar: seine Parteifreundin von der Leyen. Nach der Vertrauensabstimmung in Straßburg muss sie wohl bald zum Rapport nach Berlin – es könnte unangenehm werden.

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7 Kommentare

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  • Das Frau vdL ist eigentlich untragbar, die Frage ist, wer sollte stattdessen installiert werden und durch wen?



    Man muss fürchten, dass der Teufel mit den Beelzebub ausgetrieben wird.

  • Allein für ihre "Leistung" eine Deal mit Trump zu Zöllen auszuhandeln, der offensichtlich doch nicht gilt und z.B. den wichtigen deutschen Maschinenbau in arge Bedrängnis bringt, muss sie gehen. Handelspolitik ist eine der wichtigsten Aufgaben der EU. Und auch dort versagt vdL genau so wie sie als Familien- und Verteidigungsministerin versagt hat. Wer ihr weiter die Stange hält, schadet der EU massiv. Es gibt mit Sicherheit geeignetere Menschen für den Posten.

    "Ihre Gegner im Parlament würden den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putin dienen, behauptete von der Leyen bei einer Aussprache in Straßburg am Montagabend."

    Das soll also die letzte Verteidigungslinie sein. Unglaublich...

  • Ich würde ihr keine Träne nachweinen.



    Und das ist noch sehr mild ausgedrückt. Aus Respekt vor dem Umgang im Internet erspare ich mir weitere Worte.

  • Die letzte EU-Wahl zum Parament war m. W. 2024.

    Aus meiner Sicht besteht ein Problem darin, dass pauschal agiert wird und keine konkreten Koalitionen der Übereinstimmenden versucht:



    Beispiel Bürokratieabbau: Absenkung der Standards für Klimaschutz, Arbeitsrecht, Sozialrecht und / oder Kontrolle von Wirtschafts(verbänden)



    oder



    Bürokratieabbau: Entschlackung von Regelungen zu allem und jeden, was den Bürger oder die Kommunen (Ausschreibungspflicht für jeden Teilauftrag) betrifft - Abschaffung von Privilegien für eine überwiegend schädlich agierende Minderheit (Bauern).

    Das v. der Leyen nicht geeignet ist, hat sie ja in allen vorangehenden Ämtern bewiesen. Die Alternative beim erstenmal war halt der rechtsaußenafine Weber; bei der letzten Wahl war der sozialdemokratiche Kandidat schon mit dem zunehmenden Bedeutungsverlust seiner Unterstützer nicht mehrheitsfähig.

  • Ich mag die Frau nicht. Sie steht auf der dunklen Seite der Macht. Die soll weg.

  • Eine intrigante Kommisionchefin sollte ihren Platz still & leise räumen, bevor sie mit ihrer starrköpfigen Europapolitik/ Europa Erweiterungspolitik, unzählige friedliebende Staaten in Unfrieden reißt. Europa darf nur, auf demokratischen Weg gestärkt und wenn überhaupt, dann nur friedlich erweitert werden.

  • Schade nur, dass das korrupte Stück selbst im Erfolgsfall nicht im Gefängnis landen wird, ebensowenig wie die korrupten Parteikollegen Amthor, Dobrindt, Spahn und neuerdings ja auch Merz und seine holde Merzine.