EU-Kommissionschef in der Kritik: Gelassen ins Misstrauensvotum
Rechtspopulisten wollen Juncker stürzen. Doch die große Koalition in Brüssel stützt ihn. Sogar die Grünen halten an dem Luxemburger fest.
BRÜSSEL taz | War was? Demonstrativ entspannt hat die EU-Kommission auf das Misstrauensvotum reagiert, das ihr neuer Chef Jean-Claude Juncker kommende Woche im Europaparlament bestehen muss. Eingereicht hatten es die Rechtspopulisten und EU-Gegner der britischen UKIP-Partei.
„Die EU-Kommission wird sich im Europaparlament wie immer gelassen und vorbereitet zeigen“, sagte der erste Vize-Präsident der Kommission, Frans Timmermans. Juncker selbst äußerte sich nicht dazu. UKIP-Chef Nigel Farage und seine Mitstreiter – darunter Marine Le Pen vom Front National (Frankreich) – reagieren mit ihrem Misstrauensantrag auf die „Luxemburg Leaks“, die lukrative Steuersparmodelle aus der Zeit von Junckers Regierung in Luxemburg offenlegen.
Das „aggressive“ Steuervermeidungsregime in Luxemburg und anderen EU-Staaten habe zum Verlust von Steuereinnahmen in Milliardenhöhe geführt, begründen sie ihren Antrag.
Das ist unbestritten – quer durch alle Fraktionen. Die große Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten im Parlament will den Antrag dennoch abschmettern. Juncker habe das „volle Vertrauen“ seiner Fraktion, sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU).
Erst mal ’nen U-Ausschuss
Gegen eine Abwahl wandte sich auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold: „Juncker soll konsequent handeln, nicht zurücktreten“, twitterte er. Um den Luxemburger Christdemokraten zu stürzen, wären mindestens 376 der 751 Abgeordneten im Parlament nötig. Die Rechtspopulisten bringen es zusammen jedoch höchstens auf hundert der 751 Sitze. Die Linken unterstützen „auf keinen Fall einen Antrag, der unter anderem von Rechtsextremen und -nationalisten eingereicht wurde“, erklärte die Vorsitzende der Linksfraktion, Gabi Zimmer.
Die Linke stehe aber hinter der Forderung der Grünen nach einem Untersuchungsausschuss. Auch den dürfte die Große Koalition im EU-Parlament blockieren. Christdemokraten und Sozialdemokraten setzen stattdessen auf die Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager. Sie ermittelt bereits gegen Luxemburg – aber nur wegen möglicher Beihilfen für den US-Konzern Amazon.
Die übrigen mehr als 300 Fälle von Vergünstigungen, die die „LuxLeaks“ offengelegt haben, hat die Brüsseler Behörde bisher nicht untersucht. Ob sie dazu unter Junckers Führung den politischen Willen aufbringt, ist fraglich.
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