EU-Kommissarin zu Impfpflicht: „Überzeugung besser als Zwang“

Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides warnt vor einer Überlastung der Gesundheitssysteme durch Omikron. Eine Impfpflicht sieht sie skeptisch.

Der CovidPass auf dem Hand wird eingescannt

Ein Mitarbeiter überprüft in einem Restaurant ein Impfzertifikat Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Brüssel taz | Die EU-Kommission hat sich zurückhaltend zu den deutschen Plänen für eine Verpflichtung zur Impfung gegen Covid-19 geäußert. „Die Diskussion über eine Impfpflicht muss geführt werden“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides im Gespräch mit der taz und anderen europäischen Medien.

Ein solcher Beschluss stehe in Brüssel aber nicht auf der Tagesordnung. Angesichts des hohen Drucks auf die Gesundheitssysteme durch Omikron dürfe man keine Möglichkeit ausschließen. Brüssel könne den EU-Staaten jedoch keine Vorschriften machen – denn die Gesundheitspolitik ist eine nationale Kompetenz.

Derzeit seien 70 Prozent der Bevölkerung in der EU vollständig geimpft und 40 Prozent geboostert, so Kyria­ki­des. Das sei aber nicht genug, um hinreichenden Schutz zu gewähren. „Das schiere Gewicht der Zahlen, die wir sehen, reicht aus, um die Gesundheitssysteme potenziell zu überfordern“, warnte sie. Die Impfkampagne müsse daher weitergehen.

Sie setze jedoch auf Freiwilligkeit. „Meiner Meinung nach ist Überzeugung besser als Zwang“, betonte die EU-Politikerin aus Zypern. Sie gehört der konservativen Partei Dimokratikos Synagermos an. Skeptisch äußerte sie sich auch mit Blick auf die Einschränkung sozialer Rechte für Ungeimpfte, etwa durch Impfnachweise. Das vor einem Jahr eingeführte EU-Impfzertifikat sei „eine europäische Success-Story“. Es sei jedoch für die Reisefreiheit gedacht – und nicht für den Zugang zu Dienstleistungen wie Restaurants oder Kinos.

Strategie der EU-Länder oft unterschiedlich

„Wir müssen auf die Ungeimpften zugehen“, sagte sie. Die von der EU beschafften Impfstoffe – vorwiegend von Biontech/Pfizer – seien zwar nicht an die Omikron-Variante angepasst, räumte die EU-Kommissarin ein. Dennoch böten sie den besten Schutz gegen eine schwere Erkrankung.

Kyriakides wies den Vorwurf zurück, die EU-Kommission habe angesichts der Omikron-Welle keine Strategie. Im renommierten British Medical Journal hatten Anfang Januar mehr als 30 Forschende eine koordinierte Antwort angemahnt. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die EU aufgefordert, mehr gegen Omikron zu tun. Sie stehe in engem Kontakt mit der WHO, entgegnete Ky­ria­ki­des.

Auch die neue EU-Gesundheitsbehörde Hera, die in der EU-Kommission angesiedelt ist, habe sich bereits mit Omikron befasst. Brüssel sei bereit, schnell zu reagieren, wenn sich eine neue Lage ergeben sollte, betonte sie: „Keine Option sollte ausgeschlossen werden“.

Für Ankündigungen sei es aber noch zu früh. „Wenn wir etwas aus dieser Pandemie gelernt haben, dann, dass man niemals nie sagen sollte.“ Allerdings fehle es bisher noch an den nötigen Daten, um einen Strategiewechsel zu vollziehen. Auch für Aussagen zu einem neuen Impfstoff oder einer vierten Impfung sei es zu früh.

Die WHO rechnet damit, dass sich bis Ende Februar die Hälfte der Menschen in Europa mit Omikron infizieren könnten. Neue, an Omikron angepasste Impfstoffe werden jedoch erst im März erwartet. Widersprüchlich ist die Lage auch in den EU-Ländern. Während die Niederlande einen teilweisen Lockdown verhängt haben, denkt Spanien über eine Lockerung der Coronamaßnahmen nach.

Beim EU-Gipfel im Dezember hatten die 27 Mitgliedstaaten eine enge Koordinierung vereinbart. Seither driften die EU-Länder jedoch immer mehr auseinander, Deutschland könnte die Kluft mit einer Impfpflicht weiter vergrößern. Am Freitag wollen sich die Ge­sund­heits­mi­nis­te­r*in­nen bei einer Sondersitzung um bessere Abstimmung bemühen. Mit Beschlüssen wird aber nicht gerechnet.

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