EU-Gesetz gegen Abholzung: Waldschutz kommt später
Die EU-Kommission hat den Start der Entwaldungsverordnung verschoben. Umweltschützer kritisieren das angesichts der weltweiten Waldzerstörung.
Mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) soll sichergestellt werden, dass bestimmte Produkte wie Kakao, Papier oder Rindfleisch, die in der EU verkauft werden, nicht zum Abholzen von Wäldern innerhalb der EU und anderswo in der Welt beitragen. Große Unternehmen müssen dahingehend ihre Lieferketten überprüfen. Der Nachweis soll mit Hilfe von satellitengestützten Ortsdaten an die Kommission erfolgen.
Ein entsprechendes IT-System, in dem Unternehmen ihre Berichte abgeben müssen, soll im Dezember vollständig in Betrieb gehen, teilte die Kommission mit. Kritiker*innen hatten zuvor bemängelt, dass die Technologie so kurz vor Anlauf noch nicht bereitstünde. Auch die für Frühjahr angekündigten Leitlinien für Unternehmen veröffentlichte die Kommission erst am Mittwoch.
Mehrere Wirtschaftsbereiche hatten die geplante Verordnung wegen der mangelnden Vorbereitung kritisiert, darunter die Süßwarenindustrie und Zeitungsverleger.
Deutschland hatte Verschiebung gefordert
Die Kommission begründete ihre Entscheidung auch mit der Ablehnung der Regeln im Ausland: „Drei Monate vor dem geplanten Umsetzungstermin haben mehrere internationale Partner wiederholt ihre Besorgnis über den Stand ihrer Vorbereitungen zum Ausdruck gebracht“. Die Entwaldungsverordnung war zum Beispiel immer wieder Thema bei den Verhandlungungen mit den Mercosur-Staaten, die darin teils eine Bevormundung sahen.
Aber auch Kooperativen von Kleinbäuer*innen etwa in Ghana oder El Salvador beklagen, dass sie für die nötige Kartografierung und Datensammlung keine zusätzlichen Ressourcen oder Unterstützung von Abnehmerunternehmen erhielten.
Besonders innerhalb der EU war der Druck groß. Einige EU-Mitgliedstaaten hatten einen Aufschub gefordert, darunter Deutschland. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte in der vergangenen Woche erneut eine Verschiebung des Gesetzes gefordert. Die Bundesregierung fürchtet eine „überbordende Bürokratie“ für deutsche Forstwirte. Bislang fehle eine Einstufung Deutschlands und anderer EU-Staaten als Länder mit einem niedrigen Risiko für den Waldbestand. Eine solche Einstufung solle Nachweispflichten für hiesige Unternehmen verringern.
Özdemir begrüßte dann auch die Verzögerung in der Umsetzung, stellte aber klar, die Verordnung selber müsse unangetastet bleiben. „Die EUDR ist und bleibt ein Meilenstein im internationalen Waldschutz und muss umgesetzt werden“.
„Ein frontaler Angriff auf die EU-Klimapolitik“
Als Trauerspiel bezeichnete hingegen die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini das Vorhaben. „Die Verschiebung passiert im Kontext der größten Waldvernichtung der letzten Jahre auf dem lateinamerikanischen Kontinent“. Das sei ein frontaler Angriff auf die EU-Klimapolitik.
Es müsse jetzt sichergestellt werden, dass mit der Verschiebung nicht die Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt werde. Die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt sagte, Sozialdemokraten würden alles dafür tun, dass Konservative um CDU und CSU das Verfahren nicht ausnutzten, um das Gesetz abzuschwächen.
Vehemente Kritik äußerten auch Umweltorganisationen. Der WWF teilte mit, Entwaldung sei die zweitgrößte CO₂-Quelle nach der Industrie. „Ursula von der Leyen hätte genauso gut selbst die Kettensäge schwingen können“, sagte Sébastian Risso von Greenpeace. Die Menschen in Europa würden keine Produkte aus Abholzung in ihren Supermarktregalen wollen, aber genau das werde ihnen die Verzögerung bescheren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind