EU-Freihandelsverträge mit Nordamerika: Weniger Investorenschutz bei TTIP
Die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Mahlström will die umstrittenen ISDS-Klauseln im Abkommen mit den USA streichen. Für den Ceta-Vertrag mit Kanada ist das zu spät.
BRÜSSEL/OTTAWA dpa | Beim umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP der EU mit den USA leitet die neue EU-Kommission nach Informationen der europäischen Sozialdemokraten einen Kurswechsel ein. Die designierte Handelskommissarin Cecilia Malmström habe zugesichert, bei den Verhandlungen auf Absicherungen zum Investorenschutz zu verzichten. Das teilte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), am Samstag in Brüssel mit.
Die Mechanismen zur Beilegung von Konflikten zwischen Investoren und Staaten (ISDS) in Handelsabkommen sind seit längerem umstritten. Gegner warnen, Konzerne könnten auf der Basis von ISDS-Klauseln die EU oder einzelne Staaten vor internationale Schiedsgerichte bringen.
Lange erklärte: „Malmström geht einen Schritt in die richtige Richtung.“ Er erwarte jetzt mit Zuversicht die Anhörung Malmströms im Parlament, die für diesen Montag geplant ist. Äußerungen von Malmström selbst zu dem Thema lagen zunächst nicht vor. In Deutschland lehnt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Investitionsschutzregeln ab – auch beim Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada, das aber bereits fertig ausgehandelt ist.
Das geplante TTIP-Abkommen mit dem Wirtschaftsriesen USA ist für viele Kritiker ein rotes Tuch. Sie befürchten die Absenkung von Verbraucher- und Umweltschutzstandards in Europa. Die bisherige Kommission von Präsident José Manuel Barroso hatte diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Der Investorenschutz war allerdings von der EU nach öffentlichem Druck bei den Verhandlungen bereits auf Eis gelegt worden.
Der neue Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte gesagt, er sei nicht bereit, europäische Standards im Bereich Sicherheit, Gesundheit, Soziales oder Datenschutz „auf dem Altar des Freihandels zu opfern“. Er werde es auch nicht hinnehmen, „dass die Rechtsprechung der Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten durch Sonderregelungen für Investorenklagen eingeschränkt wird“. Falls es keine Verzögerungen gibt, wird die neue Juncker-Kommission am 1. November ihre Arbeit aufnehmen.
Die EU und Kanada hatten erst am Freitag in Ottawa feierlich den Abschluss ihrer Freihandelsverhandlungen verkündet, die fünf Jahre dauerten. Zugleich veröffentlichte die EU-Kommission den 1.600 Seiten langen Text der Vereinbarung. Das Abkommen – Comprehensive Economic and Trade Agreement (Ceta) – soll 2016 in Kraft treten und muss vorher noch förmlich gebilligt (ratifiziert) werden. Ceta gilt als Blaupause für das weitaus wichtigere TTIP.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste