EU-Flüchtlingscamp auf Samos: Wieder Brand in Flüchtlingslager
Feuer zerstören Teile des völlig überfüllten „Hotspots“ auf Samos. Kurz davor hatte ein Gericht der Beschwerde einer Ghanaerin stattgegeben.
In einem von der EU betriebenen Flüchtlingslager auf der griechische Ägäis-Insel Samos sind am Montagabend mehrere Feuer ausgebrochen. Zuvor hatte es Kämpfe zwischen Insass*innen des Lagers gegeben. Mindestens drei Menschen sind nach Angaben des zuständigen Migrationsstaatssekretärs Manos Logothetis dabei durch Messerstiche verletzt worden. Weitere acht Menschen wurden nach dem Brand mit Atembeschwerden ins Krankenhaus gebracht.
Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, um Auseinandersetzungen zwischen den Bewohner*innen zu beenden. Die Feuerwehr konnte am frühen Morgen die Brände löschen. Mehrere provisorische Unterkünfte wurden zerstört.
In dem Lager leben derzeit rund 5.700 Menschen, Plätze hat es nur für 648. Die meisten Menschen wohnen auf den Feldern rund um das Camp, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kleinstadt Vathy. Hunderte der Bewohner*innen verbrachten nach Angaben des Bürgermeisters von Vathy, Giorgos Stantzos, während der Brände die Nacht in der Ortschaft.
Es ist der zweite Brand in einem griechischen EU-Flüchtlingslager innerhalb von zwei Wochen. Anfang Oktober hatte es in einem Lager auf der Insel Lesbos gebrannt, dabei starben zwei Menschen.
„Jenseits dessen, was die Kommune tragen kann“
„Die Situation auf Samos ist außer Kontrolle“, sagt eine Sprecherin der Organisation Refugee Support Aegean (RSA) der taz. „Die Menschen müssen zum Leben alles nehmen, was sie finden können“, sagt die RSA-Sprecherin. Derzeit sei das Wetter noch kein Problem, aber der Winter nahe, der Druck unter den Geflüchteten sei enorm und auch die Spannungen mit den Einheimischen nähmen zu. Im Lager seien genauso viele Menschen, wie Vathy Einwohner hat. „Es ist jenseits dessen, was die Kommune tragen kann.“
Die Stadtverwaltung von Vathy hat die Regierung darum gebeten, die Geflüchteten von der Insel zu holen. Am Dienstagmorgen hat das griechische Ministerium für Bürgerschutz angekündigt, Geflüchtete aus Samos zu evakuieren, aber weder gesagt, wann damit begonnen werde, noch wie viele dies betreffen soll. „Das Problem ist, dass die Regierung bislang auch auf dem Festland keine Möglichkeiten zur Unterbringung geschaffen hat“, sagte die RSA-Sprecherin.
Erst in der vergangenen Woche hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) dem Antrag einer Frau aus Ghana gegen die Lebensbedingungen in dem Lager auf Samos vorläufig stattgegeben. Die derzeit im achten Monat schwangere 25-Jährige war am 18. August 2019 mit einem Boot aus der Türkei auf Samos angekommen.
Einen Termin für eine Asyl-Anhörung nannten ihr die Behörden nicht. Weil das Lager auch da schon um ein Vielfaches überbelegt war, wiesen ihr die Behörden keinen Platz in einem Wohncontainer zu. „Sie wurde ohne jede Unterstützung sich selbst überlassen“, heißt es in der Beschwerde, die der taz vorliegt.
Ratten und Regen
Die Frau sei gezwungen gewesen, ein kaputtes Zelt von anderen Geflüchteten zu kaufen und darin im Wald neben dem eigentlichen Lager zu hausen. Ratten und Regen seien durch Löcher in das Zelt eingedrungen. Toiletten, die die Lagerbewohner*innen selbst errichtet hatten, seien von der Polizei zerstört worden. Sie habe Angst vor Vergewaltigung durch andere Lagerbewohner*innen.
Die Frau hatte deshalb am 2. Oktober beim EGMR darauf geklagt, dass Griechenland die „erniedrigende Behandlung“ nicht fortsetzen dürfe. Sie forderte eine „trockene und sichere“ Unterbringung, die ihrer Situation als Hochschwangere angemessen sei.
Am 8. Oktober gab ihr der EGMR im Eilverfahren recht und entschied, dass Griechenland der Frau eine Unterbringung garantieren müsse, die ihrer Lage angemessen sei. Das eigentliche Verfahren muss noch geführt werden. Die Frau soll nun aber aufs Festland gebracht werden.
Kürzlich hatte Griechenlands Regierung die Präfekten aller Verwaltungsbezirke auf dem Festland aufgefordert, Platz für die Aufnahme evakuierter Geflüchteter von den Ägäis-Inseln bereit zu stellen. Diese hatten das jedoch in einer gemeinsamen Erklärung abgelehnt und vor einer „Spaltung der Gesellschaft“ gewarnt.
Viele müssen Monate in den Hotspots ausharren
Das Lager auf Samos war der dritte von insgesamt sechs sogenannten Hotspots, die die EU zwischen Oktober 2015 und Juni 2016 eröffnet hat. Offiziell dienen die Lager der Registrierung der Ankommenden. Diese müssen oft viele Monate dort ausharren. Deutschland hat insgesamt 28 Beamt*innen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über das EU-Asylunterstützungsbüro EASO in die griechischen Hotspots entsandt. Auf Samos sind nach Angaben des BAMF derzeit zwei im Einsatz.
In diesem Jahr sind nach Angaben der UN bislang 38.123 Geflüchtete und Migrant*innen auf den griechischen Inseln angekommen – rund 8.000 mehr als im gesamten Vorjahr. Die sechs Hotspots haben zusammen 6.458 Plätze, doch derzeit sind rund 32.000 Menschen dort untergebracht.
Immer wieder protestieren die Insass*innen und fordern, auf das Festland verlegt zu werden. Bei Auseinandersetzungen und Unfällen gab es in diesem Jahr mehrere Tote.
Hilfsorganisationen kritisierten die Zustände in dem überfüllten Flüchtlingscamp in Vathy. Die Hälfte der rund 6.000 dort untergebrachten Menschen seien Frauen und Kinder, schrieb die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Kurzbotschaftendienst Twitter: „Dieser Albtraum muss aufhören!“ Kinder und andere gefährdete Menschen müssten die griechischen Inseln verlassen und an einen sicheren Ort gebracht werden, forderte MSF.
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