ESC-Jubiläumskonzert in London: Buhrufe rausgeschnitten

Bei der Gala zur 60. Auflage des Wettbewerbs kam es zu Missfallensbekundungen gegen den russischen Sänger Dima Bilan. Die wurden getilgt.

Gewann den ESC in 2008 mit dem Song „Believe“: Dima Bilan (Archivbild, 2008). Bild: dpa

BERLIN taz | Vorige Woche Dienstag, am 31. März, fand die Aufzeichnung statt: das Konzert im Londoner Eventim Apollo Theatre zum 60. Eurovision Song Contest – eine Geburtstagsgala zur 60. Auflage des Wettbewerbs. Im Herbst 1955 war das TV-Projekt begründet worden, der erste ESC fand 1956 im schweizerischen Lugano statt.

Die Show der BBC bot einen durchaus nicht repräsentativen Reigen von ehemaligen ESC-SiegerInnen und Stars, die mit ihren Acts bekannt wurden. Brotherhood of Man aus England, Lordi aus Finnland, Anne-Marie David, Loreen, die Olsen Brothers, Dana International und Vorjahressiegerin Conchita Wurst, Dreifachgewinner Johnny Logan und die „Ein bisschen Frieden“-Sängerin Nicole: Die Show war durchaus nostalgisch angelegt – man feierte vor allem das Einst.

Ein Gast allerdings konnte nicht im Jubel der 4.000 Zuschauer in dem Revue- und Showtheater baden: Der Russe Dima Bilan, 2006 Zweiter beim ESC und 2008 Sieger mit „Believe“. Als seine Performance von den ModeratorInnen Graham Norton und Petra Mede angekündigt wurde, fangen die ersten zu pfeifen an; als der Sänger aus der Kulisse zur Bühne schritt gab es massive Buhrufe.

Mutmaßlich galten die Missfallensäußerungen nicht dem Performer selbst – viel eher den antihomosexuellen Gesetzen in Russland, die beim politisch wachen Publikum schon deshalb anstößig wirken müssen, weil die Fanbase des ESC zu einem Gros aus schwulen Männern besteht.

Moderator Graham Norton kommentierte während der Show ins Publikum: „Ihr könnt in Wien (wo Ende Mai der 60. ESC stattfindet, Anm. d.Red.) buhen, ihr könnt zuhause buhen, aber nicht hier.“ Es ginge ja nicht um Punkte und Platzierungen, sondern um Lieder. Während Bilan seine beiden ESC-Titel sang, gab es keine Buhrufe. Bilan ließ sich nichts anmerken, ging stark jubelnd von der Bühne, nicht auf die Pfiffe und Buhs reagierend.

Wehende Fahnen, frenetische Gesichter

Die Aufzeichnung des Konzerts dauerte insgesamt gut zwei Stunden – die Fassung, die schließlich zur Ausstrahlung kam und kommt, dauert 90 Minuten. In einigen Ländern, in Großbritannien etwa, ist die Show schon gezeigt worden. Auf Youtube findet sich die geschnittene Fassung, die in zwei Dutzend Ländern ausgestrahlt wurde und wird, in einigen während der ESC-Tage Ende Mai in Österreichs Hauptstadt.

Was in der BBC-Show fehlt sind die Umbaupausen, aber auch die politisch inspirierten Proteste gegen das Land des Dima Bilan. In den Minuten 57:43 bis 1:02:23 tritt Dima Bilan auf – ohne auch nur einen Muckser an Buhs und Muhs zu hören: eine, technisch gesehen, starke Konstruktionsleistung in Bild und Ton, bei der die echten Reaktionen fehlen. Gewünscht ist offenbar nur eine ESC-Fanmasse, die gutes Kamerafutter mit schwenkenden Fahnen und frenetisierten Gesichtern bietet.

Die Zensur der Liveshow wird beim 60. ESC in Wien nicht möglich sein: Sowohl die Semifinals – Russland nimmt am 19. Mai am ersten Semi teil, um sich für das Grand Final am 23. Mai zu qualifizieren – als auch die Endrunde werden live übertragen. Voriges Jahr in Kopenhagen ernteten die russischen Tolmatschowa-Schwestern, am Ende belegten sie den siebten Platz im Finale, sowohl in ihrem Semifinale wie im Finale heftige Pfiffe. Weil sie wohl als Repräsentantinnen ihrer Regierung empfunden wurden. Ob das höflich war, ist eine andere Frage.

Die ARD wird die Jubiläumsshow auf einem ihrer Kanäle übertragen. Wann und auf welchem Sender ist offen. Die BBC, die ihre eigene Produktion Karfreitag auf BBC One zeigte, hatte fünf Millionen Zuschauer erwartet. 1,89 Millionen waren es schließlich lediglich – mit einem Marktanteil von 9,5 Prozent.

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