EM-Qualifikation Polen – Israel: „Das ist jetzt schon ein Pogrom“
Der polnische Fußballverband feiert einen Sieg gegen Israel als „Pogrom“. Der Begriff ist eindeutig mit antijüdischen Ausschreitungen konnotiert.
Der Begriff „Pogrom“ kommt aus dem Russischen und bedeutet ursprünglich „Verwüstung“, „Zerstörung“ und „Krawall“. Er wurde erstmals für die antijüdischen Ausschreitungen in den Jahren 1881 bis 1884 im Russischen Kaiserreich verwendet. Hunderte Juden wurden damals ermordet, Tausende verletzt. Auch mittelalterliche Judenverfolgungen wie jene zur Zeit der Pestepidemie Mitte des 14. Jahrhunderts und ein im Jahr 1298 verübter Massenmord an Juden in Bayern wurden im Nachhinein als „Pestpogrom“ beziehungsweise „Rintfleisch-Pogrom“ bezeichnet.
Im Nationalsozialismus markiert das Novemberpogrom der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden zur systematischen Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch die Deutschen. Über 1.300 Juden wurden damals ermordet oder in den Suizid getrieben, 30.000 wurden in den Folgetagen in Konzentrationslager deportiert.
Der Begriff ist also historisch eindeutig konnotiert. Im Polnischen kann er zwar tatsächlich auch „Niederlage“ oder „Debakel“ bedeuten – und wird so auch im Fußballkontext verwendet. Allerdings ausgerechnet bei einem Sieg gegen Israel positiv darauf Bezug zu nehmen, ist an Schäbigkeit schwer zu überbieten. Zur Erinnerung: Israel wurde als Staat von Holocaustüberlebenden gegründet, hinzu kamen die aus den arabischen Ländern und dem Iran geflohenen Juden. Der polnische Fußballverband macht mit seinem Facebookpost auch ihre Nachkommen zu Pogromopfern.
Nach Kritik in sozialen Medien hat der polnische Fußballverband die Verwendung des Begriffs verteidigt. Er sei „üblich“, um Siege im Fußball zu beschreiben, teilte Verbandssprecher Jakub Kwiatkowski mit. Es folgte eine halbgare Entschuldigung: „Vielleicht war er in diesem Zusammenhang fehl am Platz, weil es unnötig Emotionen schürt.“ Wenn er mit „unnötigen Emotionen“ die zahlreichen Holocaustwitze meint, die später unter dem Post zu sehen waren, hat er wohl recht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin