Dystopische ARD-Serie: Klimakatastrophe wird greifbar
Wenn man an die Folgen des Klimawandels denkt, könnte man meinen, Europa sei davon nicht betroffen. „Families Like Ours“ zeigt das Gegenteil.
Dänemark geht im Meer unter. Und als der Kopenhagener Architekt Jacob (Nikolaj Lie Kaas) durch seinen Schwager Nikolaj (Esben Smed), der im Außenministerium arbeitet, vor allen anderen erfährt, dass auf Regierungsbeschluss hin das ganze Land wegen des steigenden Wasserpegels umgesiedelt werden soll, versucht er noch schnell, sein Haus zu verkaufen. Aber das geht schief. Seine gut situierte Familie rauscht wie fast alle anderen Dänen in die Pleite.
Thomas Vinterberg, der Mitbegründer der Dogma-Filmbewegung, der Ende der 1990er mit seinem Film „Das Fest“ Furore machte, erzählt in der Serie „Families Like Ours – Nur mit Euch“ eine Klimadystopie in naher Zukunft.
Nachdem die Niederlande bereits teilweise überschwemmt sind und einen dramatischen Niedergang der Ökonomie erlebt haben, gibt Dänemark bei steigendem Wasserspiegel den weiteren Ausbau von Dämmen auf. Die ganze Bevölkerung soll umgesiedelt und das Land in einen riesigen Offshore-Windpark verwandelt werden.
Spektakuläre Bilder gibt es nicht
Erzählt wird das aus der Perspektive der titelgebenden Familie, deren Mitglieder je nach Arbeitserlaubnis und Visumsmöglichkeit nach England, Frankreich, Rumänien, Polen und Finnland auswandern.
„Families Like Ours – Nur mit Euch“
ab 21. 2. in der ARD-Mediathek
am 21. 2. und 22. 2. im Ersten
Der Klimawandel spielt im fleißig produzierenden Serienbereich bisher kaum eine Rolle. Ausnahme ist die klimadystopische Anthologie „Extrapolations“ (2023) auf Apple TV+, in der gefühlt halb Hollywood mitspielt. Thomas Vinterberg verzichtet in seinem Siebenteiler aber auf spektakuläre Bilder eines drohenden Klimawandels. Nur ganz am Ende ist wie in einem Epilog das überflutete Kopenhagen zu sehen.
Er erzählt vielmehr anhand einer Familiengeschichte, welche katastrophalen Auswirkungen die Flucht vor Klimaschäden hat. Statt der Menschen aus dem Globalen Süden sind plötzlich die Dänen die Geflüchteten, die mit einem knallharten Grenzregime in Europa konfrontiert werden.
Dramaturgische Schwächen
So Elias (Albert Rudbeck Lindhardt), der Freund von Jacobs Tochter Laura (Amaryllis August), der von der deutschen Polizei an der Grenze nicht durchgelassen wird, als er seine Geliebte sucht, die irgendwo in Polen gestrandet ist. Er kämpft sich zu Fuß durch und wird von Faschisten bei einem illegalen Pushback ins Koma geprügelt.
Jacob schafft mit Ehefrau und kleinem Kind zwar den Sprung nach Frankreich, wo er als Architekt arbeiten will, aber Probleme mit seinen Papieren bekommt und am Ende im Sozialblock lebt und putzen geht.
Empfohlener externer Inhalt
Der Trailer
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„Families Like Ours“, das mitunter auch etwas konstruiert wirkt und einige dramaturgische Schwächen hat, funktioniert ein Stück weit wie Paul Lynchs an die Ereignisse in Syrien angelehnter, 2023 mit dem Booker Prize ausgezeichneter Roman „Das Lied des Propheten“, in dem nach einem Rechtsruck in Irland und einem Bürgerkrieg die Flucht einer Familie erzählt wird, die im Schlauchboot übers Meer schippern muss.
Aus Klimawandel folgt Klimaflucht
Thomas Vinterbergs sehr gefühlvolle, unter die Haut gehende Serie erzählt von der Brutalität des Schicksals, das geflüchtete Menschen erleiden müssen, und dreht die übliche Perspektive um. Die Westeuropäer sind auf der Flucht.
Laura versucht, sich zu ihrer Mutter durchzuschlagen, die in Bukarest lebt. Immer wieder gibt es Bilder von steigenden Wasserpegeln. Europa säuft langsam ab. Dabei geht es auch um die Frage, welche ökonomischen Folgen ein derartiges Szenario hätte und wie einige sich daran bereichern.
Diese Familientragödie mit viel Eskalationspotenzial ist zum Teil verstörend, eröffnet aber eine sonst in Westeuropa kaum vorstellbare Perspektive auf die Themen Klimawandel und Klimaflucht und zeigt eindrücklich, wie sehr beide einander bedingen.
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