Dystopie im Deutschen Theater: Die Zukunft ist eine Katastrophe
Kurz vor der Wahl blickt das Deutsche Theater in Berlin in die nahe Zukunft. In Workshops wird eine fiktive Krise inszeniert, die 2027 stattfinden soll.
Sie bringen den Worst Case auf die Bühne, im wahrsten Sinne des Wortes: In den Kammerspielen des Deutschen Theaters sind etwa 20 Menschen um einen Tisch versammelt, ein weißer Begegnungspunkt inmitten der weitläufigen Dunkelheit des Theatersaals. Hier entwarfen die Teilnehmenden eines Workshops, der zum Projekt „Welche Zukunft?!“ gehört, am 16. September eine Dystopie der nächsten zehn Jahre, die niemand erleben möchte: Klimawandel, Finanzkrise, Armut.
Insgesamt traten etwa 250 Menschen das „Experiment“ an, wie Moderator Mark Schieritz es nannte. Im kommenden Jahr soll ein Theaterstück inszeniert werden, das auf den Diskussionen der verschiedenen Workshops beruht, die sich wahlweise um Wirtschaft, Umwelt oder gesellschaftliche Fragen drehten. Die Menschen überlegten sich Szenarien, die zur Krise führen: wachsende soziale Spaltung, unbezahlbare Mieten, Zusammenbruch der Märkte. Und was man dagegen tun kann.
„Die Deregulierungsmaßnahmen müssen zurückgenommen werden“, sagt Ökonomie-Referent Rudolf Hickel von der Universität Bremen. Einige kritisieren den „Dott-Frank-Act“, andere wenden die „Sättigungsthese“ an, ratlos bleibt, wer da nicht VWL studiert hat. Doch alle nicken zustimmend, alle würden sich auskennen und wären sich einig, dass die Kluft zwischen arm und reich geschlossen werden muss. Nur die, um die es eigentlich geht, die Armen, die bildungsfernen Menschen, reden nicht mit, sind gar nicht gekommen.
Von gesellschaftlichen Problemen betroffen sind aber vor allem diejenigen, die nicht wissen, was Wirtschaftswachstum bedeutet, und die keinen Einfluss auf Bankenregulierung haben. Dramaturg Ulrich Beck bedauert, dass viele Menschen Hemmungen hätten, ins Theater zu kommen, denn es gehe ja genau darum, „Probleme auf den Tisch zu packen.“ Die, die gekommen sind, nehmen das ernst, Angst haben sie trotzdem nicht. „Ich bin eher ratlos“, sagt jemand am Ende des Tages. Wie wir alle.
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