Durchsuchungen bei Aktivist*innen: Archiv soll strafbar sein
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat neue Ermittlungen wegen der verbotenen Plattform Linksunten.indymedia eingeleitet.
Linksunten.indymedia spaltete sich 2008 von dem heute noch bestehenden und nicht verbotenen Projekt de.indymedia.org ab. „Linksunten“ steht dabei für Südbaden. Weil das Projekt auch illegale Inhalte ohne Zensur postete, wurde es schnell zur relevantesten linksextremistischen Plattform Deutschlands.
Im August 2017 hat der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) allerdings Linksunten.indymedia verboten. Die Webseite habe es „ermöglicht und erleichtert“, dass dort Straftaten gebilligt und Anleitungen zu Straftaten veröffentlicht wurden.
Das Vereinsverbot wurde fünf Personen aus Freiburg zugestellt. Sie klagten zwar beim Bundesverwaltungsgericht gegen das Verbot, aber ohne sich zu der Vereinigung zu bekennen. Die Klage wurde deshalb ohne inhaltliche Prüfung als weitgehend unzulässig abgelehnt. Damit wurde das Verbot rechtskräftig. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die fünf Freiburger:innen wurde von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe im Juli 2022 aus Mangel an Beweisen eingestellt.
Eine kuriose Entwicklung
Darüber berichtete der Redakteur Fabian Kienert auf der Webseite des linken Alternativsenders Radio Dreyeckland. Am Ende des Artikels setzte er einen Link auf das Archiv von Linksunten.indymedia. Das brachte ihm eine Hausdurchsuchung und ein noch laufendes Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung der Fortführung einer verbotenen Vereinigung ein.
Das Landgericht Karlsruhe ließ im Mai die Anklage gegen Kienert zunächst nicht zu, unter anderem weil völlig unklar sei, ob es die Vereinigung Linksunten.indymedia noch gebe. Doch das Oberlandesgericht Stuttgart sah dies Mitte Juni anders. Das Archiv im Internet sei wohl eine Art Fortführung der Vereinigung. Weitere Aktivitäten seien nur aus taktischen Gründen eingestellt.
Darin sah die Staatsanwaltschaft Karlsruhe offensichtlich eine Ermutigung, nun auch wieder gegen die fünf Freiburger:innen vorzugehen, die sie bereits früher der Mitgliedschaft verdächtigte. Ihnen wird nun in einem neuen Ermittlungsverfahren die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen. Laut Strafgesetzbuch (Paragraf 85) drohen ihnen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.
Das Ermittlungsverfahren ist einigermaßen kurios, da das monierte Archiv schon seit April 2020 im Netz zugänglich ist. Und nachdem das letzte Ermittlungsverfahren gegen die fünf Personen erst vor einem Jahr ohne Ergebnis eingestellt wurde, ist unklar, warum die Beweislage nun zwölf Monate später besser sein soll. Die Archivseite ist weiter frei zugänglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?