Düsseldorfs Ex-OB geht zu Wagenknecht: SPD-Politiker auf Abwegen
Der ehemalige Oberbürgermeister Thomas Geisel will für Wagenknechts neue Partei ins Europaparlament. Er hat seinen Austritt bei der SPD beantragt.
Sahra Wagenknecht hat am Montag die Gründung ihrer Partei aus dem „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ verkündet. Sie stellte zudem die Spitzenkandidaten für die Europawahl vor. Mit dabei war auch der SPD-Politiker Thomas Geisel.
In einer E-Mail an Freund*innen und Parteikolleg*innen erklärte Geisel bereits am Donnerstag sein Vorhaben, gemeinsam mit dem ehemaligen Linkenpolitiker Fabio de Masi, die Liste des Bündnisses Sahra Wagenknecht für die Europawahlen im Juni anzuführen.
In dem Schreiben, das der taz vorliegt, warf er seiner eigenen Partei unter anderem vor, sie betreibe in der Migrations- und Asylpolitik „seit bald 30 Jahren eine ideologisch getriebene Politik der Realitätsverweigerung“. Auch setze sie „Identitätspolitik an die Stelle einer Politik der Chancengerechtigkeit“.
Bis vor Kurzem trat der 60-Jährige noch als stolzer Sozialdemokrat auf und ließ sich im vergangenen Monat für 40 Jahre SPD-Parteibuch feiern. Nun schreibt er: „Meine Entscheidung ist gefallen und ich würde mich freuen, wenn mir viele von Euch dabei folgen würden.“
Nachahmer nicht erwartet
Am Sonntag beantragte Geisel seinen Austritt bei der SPD per E-Mail. Ein Sprecher des zuständigen NRW-Landesverbands bestätigte dies der Deutschen Presse-Agentur.
Man sei traurig über „den Abgang eines Genossen und guten Oberbürgermeisters“, sagte Martens. Man glaube jedoch nicht an weitere Nachahmer. Dass sich Geisel neuerdings mit den Parolen Wagenknechts identifiziere und sich von sozialdemokratischen Werten löse, sei bedrückend, so Martens. Seine Chancen auf einen Sitz im Europaparlament stünden wohl nicht schlecht: Ohne Fünfprozenthürde sei ein Einzug deutlich leichter als im Bundestag. „Vielleicht kann auch das ein Grund sein, warum er dieses Mandat nun anstrebt.“
Immer wieder war Geisel in den vergangenen zwei Jahren mit seiner Position zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aufgefallen. Geisel hinterfragte die Wirksamkeit von Waffenlieferungen und sprach sich gegen Sanktionen gegen Russland aus. Seine „brandgefährliche Rhetorik“ relativiere Kriegsverbrechen in der Ukraine, kritisierte Martens.
Rennen um SPD-Kandidatur
Im Jahr 2014 hatte sich Geisel überraschend bei der Düsseldorfer Kommunalwahl gegen den amtierenden CDU-Politiker Dirk Elbers durchgesetzt. Er führte die Stadt Düsseldorf, wie oftmals kritisiert wurde, im Alleingang. 2020 verlor er die Wiederwahl zum Oberbürgermeister gegen den CDU-Politiker Stephan Keller.
Eigentlich hatte der SPD-Politiker für 2025 einen neuen Anlauf für die Kommunalwahl geplant. „Bis gestern war er auf eigenen Wunsch im Rennen als SPD-Kandidat für das OB-Mandat. Damit ist es jetzt selbstverständlich vorbei“, sagte Martens. Wie hoch seine Chancen gewesen wären, ließ sie offen. Seine Kandidatur sei wie jede andere demokratisch besprochen worden.
Dieser Artikel wurde am Montag, 8. Januar, um 14:30 Uhr aktualisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel